Die Augen des Mädchens leuchten: Es sitzt auf einer Strohballe und nimmt ein Kaninchen in Empfang, das ihm ein älterer Herr behutsam übergibt. «So musst du es halten», erklärt er und schiebt die kleinen Hände in die richtige Position. Nach anfänglichem Zögern beginnt das Mädchen, mit seiner Rechten dem Kaninchen sanft über das Fell zu fahren. «Schön vorsichtig», ermahnt der Herr – obwohl das Kind von selbst begriffen hat, dass es rücksichtsvoll mit dem Tier umgehen muss.

Doch nicht immer wird in Streichelzoos derart vorbildlich auf das Tierwohl geachtet.  In den letzten Jahren hat der Schweizer Tierschutz STS immer wieder Streichelzoos kritisiert. Zum Beispiel jenen an der – inzwischen nicht mehr stattfindenden – Tiermesse «Animalia», weil dort Kleintiere weder Ruhepausen noch Rückzugsmöglichkeiten hatten. An anderen Orten, so berichten Tierfreunde, fehlten Aufsichtspersonen, Tiere waren den Besuchermassen, die sich in ihre Gehege drängten, schutzlos ausgeliefert.

«Tierfilme reichen nicht»
Solche unschönen Beispiele veranlassen die Bundesbehörden nun zu handeln: Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) schlägt vor, in die Tierschutzverordnung einen neuen Paragrafen einzufügen. Dieser soll «das Einrichten und Betreiben von für das Publikum zugänglichen Gehegen (Streichelzoos) mit Kaninchen, Kleinnagern und Küken an Veranstaltungen» verbieten. In einer Vernehmlassung konnten sich Parteien, Kantone und Verbände kürzlich zu dem Plan äussern, entscheiden wird nun der Bundesrat.

Das BLV begründet den Vorschlag in seinen Erläuterungen damit, dass es sich bei den betreffenden Tierarten um klassische Beutetiere von Greifvögeln oder Raubtieren handle. «Sie sind jederzeit auf Flucht eingestellt und können deshalb – besonders in ungewohnter Umgebung – sehr schreckhaft sein.» In Streichelzoos seien Kaninchen, Meerschweinchen oder Küken deshalb «potenziell beträchtlichen Belastungen» ausgesetzt – insbesondere wenn die Besucher ihnen hinterherjagen oder sie sogar hochheben würden.

Der Vorschlag stösst bei Kleintierhaltern auf Widerstand. Der Verband Kleintiere Schweiz, der auch die «Tierwelt» herausgibt, verlangte in der Vernehmlassung, auf die Einführung des Paragrafen zu verzichten. «Wir sind nicht einverstanden mit dem Verbot», sagt Verbandspräsident Markus Vogel. Gerade Kinder hätten ein grosses Bedürfnis, Kleintiere zu streicheln.

Das Berühren der Tiere, sagt Vogel, habe auch einen pädagogischen Wert. Mädchen und Buben könnten dadurch Erfahrungen mit Tieren sammeln, ihre Freude am Entdecken ausleben und erst richtig beginnen, ein Tier zu verstehen. «Tierfilme allein genügen dazu nicht.» Zudem sei der Kontakt mit Kleintieren für Kinder eine Möglichkeit, ihr eigenes Verhalten infrage zu stellen. Vogel: «Ich habe schon Buben gesehen, das waren richtige Zwirbel – sobald sie ein Tier in der Hand hatten, waren sie lammfromm.» 

Hunderte von toten Bibeli? 
Der Bund wolle nicht grundsätzlich verbieten, dass Kinder Kleintiere anfassten, entgegnet Fabien Loup, Leiter des Fachbereichs Tierschutz bei Haustieren und Wildtieren im BLV. «Es geht uns gezielt um grosse Messen und Ausstellungen, die Tiere in Streichelzoos einfach zu Werbezwecken nutzen.» Besuche des Bundesamts und von Kantonstierärzten hätten gezeigt, dass bei einigen solchen Anlässen die Lage nicht unter Kontrolle sei. «An Sonntagnachmittagen hat es manchmal schlicht zu viele Leute, Veranstalter und Tiere sind überfordert.»

Er habe selber in seiner Zeit als Kantons­tierarzt erlebt, was ausser Kontrolle geratene Streichelzoos für Kleintiere bedeuten könnten. Im Naturhistorischen Museum Freiburg hätten die Kinder um das Jahr 2000 herum an der Kükenausstellung die flauschigen Tiere noch in die Hände nehmen dürfen. «Es war grauenhaft», sagt Loup, «Hunderte Bibeli starben. Sie wurden erstickt, bekamen nicht mehr genug Wärme oder gingen an Stress ein.» Es habe lange juristische Verfahren gebraucht, um diese schrecklichen Anlässe zu verbieten.

Emanuel Gerber, Vizedirektor des Naturhistorischen Museums Freiburg, widerspricht dieser Darstellung: Die Aussage von Herrn Loup, dass in der Ausstellung «Hunderte Bibeli starben» sei falsch und entbehre jeglicher Grundlage. Zudem habe es nie ein «langes juristisches Verfahren» gegeben. Die Ausstellung sei schon damals bewilligungspflichtig gewesen. «Als damaliger Freiburger Kantonstierarzt verfügte Herr Loup, dass die Tiere nicht mehr berührt werden dürfen und wir leisten seither dieser Anordnung Folge», sagt Gerber. Die Aussage, dass es sich um einen «grauenhaften» und «schrecklichen» Anlass gehandelt habe, sei eine grobe Übertreibung. «Die Ausstellung ist seit über 30 Jahren ein Erfolg und das bei einem durchaus sensiblen und kritischen Publikum. Das wäre nicht der Fall, wenn der Anlass nicht so tiergerecht wie möglich durchgeführt würde.»

Dass in Streichelzoos keine chaotischen Zustände herrschen oder gar Tiere sterben dürften, stehe auch für Kleintiere Schweiz ausser Frage, sagt Markus Vogel. «Statt eines Verbots sind wir aber vielmehr der Meinung, dass es klare Regeln braucht für das Betreiben von Streichelzoos.» Er nennt verschiedene Punkte: Die Gehege müssen so gestaltet sein, dass genügend Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sind. Die Tiere dürfen nicht überfordert werden – der Betreiber muss dafür sorgen, dass sie regelmässige Ruhezeiten erhalten. Und nicht zuletzt dürfen die Besucher die Tiere nur unter Aufsicht streicheln. Erwachsene Fachpersonen, die über einen Sachkundenachweis für die Haltung der entsprechenden Arten verfügen, müssen die ganze Zeit über präsent sein. Diese Personen sollten auch die Tiere für den Streichelzoo auswählen und entsprechend vorbereiten, sagt Vogel. Denn: «Es ist schon so, nicht jedes Tier ist dafür geeignet, eines ist zutraulich, ein anderes eher scheu.»

Auch für das BLV sind Rückzugsmöglichkeiten, Ruhezeiten und Aufsicht das A und O für Begegnungsorte zwischen Kindern und Kleintieren. Etwa in permanenten Streichelzoos in Altersheimen, Rehazentren oder auf Bauernhöfen, die von der Verordnungsänderung nicht betroffen wären.

Der Anfang vom Ende
Der Grund für die geplante rechtliche Unterscheidung zwischen temporären und permanenten Streichelzoos: Bei Letzteren sei das Tierwohl einfacher einzuhalten, sagt Loup. «Grosse Messen sind einfach nicht der richtige Ort zum Tierestreicheln, die Menschenmengen sind zu gross.» Lasse ein Bauer eine Schulklasse auf seinem Hof Kaninchen streicheln, sei die Aufsicht viel besser gewährleistet. «Das ist für uns kein Problem.» Erlaubt bleiben auch sogenannte Schulställe, bei denen eine Klasse im Schulzimmer miterleben darf, wie ein Kaninchen Junge wirft und diese dann für einige Wochen betreut. Im Übrigen, sagt Loup, könnten Aussteller, falls das Verbot komme, immer noch ein Ausnahmegesuch beim kantonalen Veterinäramt stellen, wenn sie einen Streichelzoo mit Kleintieren einrichten wollten. «Uns ist der gesunde Menschenverstand wichtig», sagt er. «Welcher Umgang mit dem Tier ist wo vertretbar?»

Kleintierzüchter allerdings befürchten, dass das Steichelzoo-Verbot erst der Anfang ist und immer mehr Einschränkungen auf sie zukommen. «Es droht ein Realitätsverlust», sagt Kleintiere-Schweiz-Präsident Vogel. «Tiere zu streicheln ist überhaupt nichts Schlimmes, es ist sogar so, dass manche Tiere Streicheleinheiten brauchen.» Und er weist darauf hin, dass es gerade bei den Kaninchen Rassen gebe, die sehr pflegeleicht und menschenbezogen seien. «Lohkaninchen zum Beispiel oder grössere Rassen wie Kalifornier oder Rote Neuseeländer sind in der Regel recht zutraulich.» Ähnlich sieht es ein Merkblatt des Schweizerischen Tierschutzes STS: Grosse, menschenfreundliche Kaninchenrassen, heisst es da, seien geeignet für Streichelzoos.