Schon der Flug von Manila kommend über das zentralphilippinische Archipel der Visayas lässt das Herz höherschlagen: Wie an einer Perlenkette aneinandergereiht liegt im Meer Insel neben Insel, weiss leuchtende Strände umrahmen das grüne Landesinnere. Auf den meisten Inseln dominieren Kokospalmen, Mangobäume und Mahagoniwälder. So auch auf Bohol, doch auf der zehntgrössten Insel des Landes erheben sich auch – je nach Zählung und Quelle – 1268 bis 1776 Hügel: die Chocolate Hills.

Im Sommer, wenn sie mit Gras bewachsen sind, erscheint der Name skurril. Doch wenn die vom Himmel herabbrennende Sonne nach der Regenzeit im Herbst das Grün trocknet, präsentiert sich die 50 Quadratkilometer gros­se Hügellandschaft wie eine geöffnete Pralinenschachtel. Ein brauner Schoggi-Gupf neben dem anderen. Die spektakulärste Sicht auf die 40 bis 120 Meter hohen, rundkuppigen Kegel hat man von der Aussichtsplattform in der Nähe des Örtchens Carmen.

Die surreale Landschaft im Blick stellt man sich die Frage, wie diese entstand. Auch die Wissenschaftler wissen es nicht. Eine Theorie ist, dass Kalksteinverwitterungen, Vulkanismus und plattentektonisch bedingte Hebungen des Meeresbodens die Hügel geformt haben. Nicht plausibel, dafür romantisch ist die lokale Legende, wonach der Riese Arogo nach dem Tod seiner angebeteten Aluya derart untröstlich war, dass er über 1200 Tränen vergoss, die sich zu Steinen verwandelten.

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Rendez-vous mit der Filmwelt
Nach diesen Betrachtungen führt die Tour an Reisfeldern vorbei zum Loboc-Fluss, wo eine Flossfahrt mit Mittagessen wartet. Was einmal lauschig gewesen sein mag, ist in der Hochsaison zur touristischen Massenabfertigung verkommen. An diesem Tag allerdings sind nur wenige Menschen an Bord, die es sich inmitten tropischer Vegetation bei süssen Säften reifer Mangos und Bananen und bei frischen Meeresfrüchten gut gehen lassen.

Zumindest so lange, bis das einmotorige Flossboot mit einem Baum kollidiert. Der Kapitän hat – zur Belustigung mitreisender Ingenieure – sein liebe Mühe damit, das Gefährt aus seiner misslichen Schräglage zu befreien. Nach einer Stunde, die sich wie eine Ewigkeit anfühlt, geht es zurück zum Start und weiter nach Corella ins Reich der Koboldmakis oder Tarsier, wie sie hier heissen.

Diesen gerademal faustgrossen Äffchen mit den riesigen Augen hat die «Philippine Tarsier Foundation» ein Schutzgebiet eingerichtet, in dem man sich ihnen artgerecht nähern kann. Auf schmalen Trampelpfaden geht es durch einen Mini-Urwald, der Guide voraus, wir hinterher. Es ist heiss, feucht und unter dem Blätterdach ziemlich dunkel.

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Und es ist so still, dass das Gesurre der Insekten gut zu hören ist. Dann flüstert der Guide «dort» und zeigt ins Gebüsch. Vorsichtig schiebt er ein paar Blätter zur Seite und macht die Blicke frei auf ein kleines Fellknäuel, das sich an einen Stamm klammert, uns unvermittelt anschaut und in die Filmwelt versetzt. Denn die Tarsier dienten Yoda, dieser unbekannten Spezies aus «Star Wars», als Vorlage. Und ihre saugnapfartigen Hände und Füsse erinnern an E.T.

Die philippinischen Koboldmakis, erzählt der Guide während des Rundgangs und der Sichtung weiterer Mini-Affen, gelten als gefährdet: Urwaldrodungen zerstörten ihren Lebensraum. Menschen jagen sie, um sie zu essen oder als Haustiere zu halten. Und offenbar lieben auch Katzen Tarsier, die tagsüber regungslos im Dickicht ruhen. Kaum wird es Nacht über Bohol werden die Tierchen aktiv. Auf der Suche nach fressbaren Insekten, Käfern oder kleinen Echsen und Vögeln springen sie von Ast zu Ast, Baum zu Baum.

Unterwegs mit Gottes Segen
Zu dieser Zeit lassen die Touristen den Tag bereits am Alona Beach auf der Bohol vorgelagerten Insel Panglao ausklingen. Hier sitzt man an einfachen Tischen mit den nackten Füssen im Sand, geniesst die Abendbrise und findet schnell neue Freunde. Die Insel ist ein Mekka für Taucher, die sich mit leuchtenden Augen erzählen, was sie im Wasser gesehen haben: spektakuläre Riffe mit bunten Korallengärten und Fischen. Auch wer weder taucht noch schnorchelt, muss nicht auf diese Unterwasserwelt verzichten. Selbst wer nur schwimmt, tut dies begleitet von Fischschwärmen und Mini-Schildkröten.

Die Filippinos, ein freundliches, zurückhaltendes und hilfsbereites Volk, nehmen die Begeisterung der Gäste aus aller Welt lächelnd zur Kenntnis. Auf Bohol und Panglao hat der Tourismus noch nicht die Auswüchse erreicht wie auf Boracay, dessen einstiger Traumstrand wegen illegaler Bauten, Vermüllung und ins Meer geleiteten Abwassern 2018 für Touristen gesperrt wurde.

Bohol oder «Gottes kleines Paradies», wie es die Einheimischen nennen, soll nicht so verkommen. Hier setzen sie auf Ökotourismus und pflanzen sie wieder Bäume. Statt mit Dynamit zu fischen, verdienen sie ihr Geld als Tauchguides und führen die Gäste über die Insel. Dazu gehört stets ein Stop bei der beeindruckenden Steinkirche von Baclayon aus dem 16. Jahrhundert, die auch daran erinnert, dass die spanischen Eroberer 1565 ihren Katholizismus mitbrachten.

Nach 333 Jahren war die Herrschaft Spaniens 1898 beendet, worauf lange die USA dominierten. Die Vergangenheit wirkt nach: Die Philippinen sind bis heute das einzige christliche Land im Fernen Osten. 85  Prozent sind Katholiken. Und die vielen amerikanischen Militärfahrzeuge wurden zu «Jeepneys» umfunktioniert. Zu Sammeltaxis, die stets mit Gottes Segen unterwegs sind, zieren doch Worte wie «We trust in God» oder «God is Love» jedes Gefährt.

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