Reto Minder gerät regelrecht ins Schwärmen. Mit viel Leidenschaft erzählt er über das Thema Boden. «Je höher man auf einem grossen Traktor sitzt, desto mehr entfernt man sich vom Boden.» Die Nähe zum Boden und das Wissen darüber ist genau das, was Minder propagiert. Er ist Präsident des Vereins Swiss No-Till. Dabei handelt es sich um die Schweizerische Gesellschaft für bodenschonende Landwirtschaft. 

Der Vereinsname ist Programm: No tillage bedeutet im Englischen «keine Bodenbearbeitung». Der Verein, dem 330 Landwirte angeschlossen sind, beschäftigt sich mit dem Thema Direktsaat. Das bedeutet: Die Bauern beackern ihre Felder nicht mehr mit Pflug und Egge, wie es seit Jahrhunderten Tradition ist. Stattdessen bearbeiten sie den landwirtschaftlichen Boden so wenig als möglich. «Jeder Eingriff ins Feld ist eigentlich unnatürlich», betont Minder. Erste Bauern in der Schweiz setzten in den 1990er-Jahren auf diese neue Methode. 

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Der 46-Jährige betreibt im freiburgischen Jeuss auf rund 40 Hektaren Ackerbau. Vor allem Rosenkohl und Tabak wachsen auf seinen Feldern, aber auch Weizen, Dinkel, Mais und Zuckerrüben. Vor rund 20 Jahren hat er die Bearbeitung der Felder umgestellt. Auf das Pflügen und reine Monokulturen, wie das sein Vater noch praktiziert hat, verzichtete er. «Die Umstellung braucht aber Zeit. Der Boden braucht einige Jahre Zeit für die Umstellung, bis Erfolge zu sehen sind», erklärt Reto Minder. 

Spezielle Maschinen im Einsatz 
Die Direktsaat ist ein Teil der konservierenden Landwirtschaft. Diese fusst auf drei Prinzipien: Bodenruhe, Bodenbedeckung und Biodiversität. «Es ist nicht so, dass bei der Direktsaat der Boden gar nicht bewegt wird. Wir nutzen spezielle Direktsaatmaschinen», sagt Minder. Statt den Boden zu bearbeiten, wird die Erde nur leicht angeschlitzt und die Saat darin versenkt. Die Bewegung des Bodens ist so minimal. «Damit verbleibt mehr Biomasse auf der Oberfläche welche den Boden vor Witterung schützt.» Der Direktsaatboden habe mehr Regenwürmer, deren Dung wertvolle Nährstoffe für die Pflanzen liefere, erklärt Minder. 

Im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft darf lediglich 25 Prozent des Bodens bewegt werden. Dies die Definition, welche die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) für die Direktsaat macht. Bund und Kantone unterstützen Bauern, die auf Direktsaat setzen. «Es braucht Anreize – denn gerade am Anfang bei der Umstellung kann es zu Rückschlägen kommen.» So kommt es vor, dass der Bauer wegen Ernteausfällen weniger verdient. 

Bei Direktsaat kommt es nicht zu Verdichtungen im Boden. «Diese entstehen nur dann, wenn der zu nasse Boden mit schweren Landmaschinen befahren wird. Die Direktsaat-Maschinen sind zwar nicht leichter.» Und Minder weiter: «Aber bei no-till schauen wir sehr darauf, zu welchem Zeitpunkt wir aufs Feld fahren. Ausserdem ist ein unbearbeiteter Boden viel tragfähiger. Auch ist die Auswahl der Bereifung der Maschinen wichtig.» Er nehme jeweils mit dem Spaten eine Bodenprobe und fühle, ob die Erde genug trocken ist, damit sie problemlos befahren werden könne. «Das braucht viel Erfahrung. Sich mit dem Boden intensiv zu beschäftigen, das ist das A und O bei no-till.»  

Die Oberfläche des Bodens soll dauernd vor Witterungseinflüssen geschützt sein. Nur so kann die Bodenfruchtbarkeit langfristig erhalten oder gar verbessert werden. Dafür sorgen Gründungpflanzen, die verschieden tief wurzeln und die Erde auflockern. Zusätzlich lässt man Ernterückstände auf dem Feld liegen. «Unkraut wächst vor allem, wenn Licht auf den nackten Boden fällt», sagt Minder. Auch die Fruchtfolge ist sehr wichtig. Im Sommer beispielsweise, wenn das Getreidefeld abgeerntet ist, wird unmittelbar eine Gründüngung angelegt. «Diese fördert die Biodiversität und spart Dünger sowie Pestizide ein.» 

Glyphosat als Kritikpunkt 
Gemäss Minder gibt es aber auch Nachteile der Direktsaat. Beim Pflügen werde das Unkraut direkt in den Boden untergepflügt und so reinen Tisch gemacht. Der unbearbeitete Boden hingegen braucht je nach Situation auch den Einsatz von Totalherbiziden wie Glyphosat, um das Unkraut zu bekämpfen. Das führt immer wieder zu Kritik an der Direktsaat. Reto Minder erklärt : «Es wäre falsch die Direktsaat nur auf Glyphosat zu reduzieren. Die Vorteile konservierender Landwirtschaft überwiegen.» Langjährige Versuche belegten, dass unter der konservierenden Landwirtschaft Erträge stabiler und leicht höher seien. «Ausserdem nimmt die Bedeutung des Bodenschutzes zu. Wichtige Themen sind Humusaufbau, CO2-Einlagerung, Resilienz oder Ressourceneffizienz.»  .

No-till ist für alle Kulturen erprobt, welche mit dem Mähdrescher geerntet werden. Bei Dammkulturen wird es schwieriger, da Boden bewegt werden muss. «Bei Gemüse funktioniert die Direktsaat noch nicht optimal», sagt Minder, der bei seinem Rosenkohl jedoch die Methode schon anwendet. Es laufen aktuell Versuche in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikon BE, dem Inforama Seeland und Swiss No-Till. Diese zielen darauf ab, konservierende Anbauverfahren unter Praxisbedingungen für den Gemüsebau zu entwickeln.  

Entstanden ist no-till in Südamerika. Man suchte Wege, der Erosion der fruchtbaren Böden durch Regen und Wind Herr zu werden. «Erosion ist bei Direktsaat massiv kleiner, da der Boden nicht bearbeitet wird. Das bietet weniger Angriffsfläche für Wind und Wasser», erklärt Minder. Es ist heute belegt, dass die Direktsaat in trockenen Regionen oft höhere Erträge liefert. Denn ohne Lockerung trocknet der Boden weniger schnell aus. Weltweit werden aktuell rund 180 Millionen Hektaren mit der Methode der Direktsaat bestellt. In der Schweiz sind es rund15 000 Hektaren. Das entspricht etwa drei  Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche der Schweiz. «Wir müssen noch viel Aufbauhilfe leisten, damit no-till weiter wächst. Es braucht auch in der landwirtschaftlichen Ausbildung mehr Informationen dazu», fordert Reto Minder. 

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Herbizide im Fokus
«Das pfluglose Verfahren ist bisher nur in Kombination mit Glyphosat möglich», schreibt Hansueli Dierauer, Leiter Anbautechnik Ackerbau am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im «Schweizer Bauer». Er bezieht sich dabei auf den biologischen Landbau, wo keine Herbizide eingesetzt werden können. Er habe mit seinem Forschungsteam etliche Versuche von Direktsaat ganz ohne Herbizide gemacht. Überwinternde Gründüngungen wurden mit einer Messerwalze statt mit Herbiziden zerstört. Alle Versuche hätten gezeigt, dass es nur selten vergleichbare Erträge wie bei Pflugsaaten gab.