Vierzig Katzen sind genug. Zwar hat Landwirt Thomas Graber (Name von der Redaktion geändert) sie gerne, er kennt jede einzelne, füttert sie zweimal täglich und cremt auch mal einer die Augen ein, wenn sie eine Entzündung hat. Doch mehr sollten es nicht mehr werden. Deshalb hat er sich an die Tierschutzorganisation NetAP (Network for Animal Protection) gewandt. 

Im Februar war es bereits gelungen, alle bis auf einen Kater einzufangen und zu kastrieren. Die grossen Kastrationseinsätze finden jeweils im Winter statt, damit nicht das Risiko besteht, dass eine Katzenmutter von ihren Jungen weggefangen wird. Doch inzwischen sind auf Grabers Hof bereits wieder drei Weibchen dazugekommen. Vielleicht sind sie ihm zugelaufen. Vielleicht wurden sie auch bei ihm ausgesetzt. Es wäre nicht das erste Mal: «Wir haben mal vor den Sommerferien eine Frau mit zwei Kindern gesehen, die fuhren im Auto vor und setzten ihre Norwegische Waldkatze aus. Nach den Ferien kamen sie wieder und wollten sie zurückholen.» Offenbar hat sich herumgesprochen, dass Graber den Katzen gut schaut. Doch er kann nicht noch mehr Tiere aufnehmen – deshalb ist auch in diesem Artikel sein Name geändert und sein Wohnort nicht erwähnt. 

Seit der Kastrationsaktion im Februar sind bei ihm neun Kätzchen zur Welt gekommen. Vier davon fand er wenige Stunden nach der Geburt tot auf dem Heuboden, sie sind wohl einem Marder zum Opfer gefallen. Ein weiteres war plötzlich verschwunden. Zwei konnten die Tierschützerinnen von NetAP bereits einfangen und mitnehmen. Und zwei sind noch da und sollen an diesem Tag nun in die Falle gehen. 

Grössere Katzen bleiben auf dem Hof
Prisca Bernauer, die als Freiwillige die Arbeit von NetAP in der Region Basel koordiniert, hat bereits eines der beiden jungen Tigerchen entdeckt: In der Scheune guckt es mit gros­sen Augen aus einem Loch in der Wand. Die Frau macht mit der Zunge Geräusche, um das Tierchen anzulocken. «Euch zwei möchte ich», sagt sie, mehr zu sich selber als zu den Tieren. 

Grössere Katzen, die schon länger ein verwildertes Leben führen, lassen sich kaum mehr zu verschmusten Haustieren machen. Sie kommen nach der Kastration zurück auf den Hof. Die beiden kleinen hingegen könnten sich noch an den Kontakt zu Menschen gewöhnen lassen, sodass sie sich nachher an ein neues Zuhause vermitteln liessen. 

Als Bernauer die Falle – einen grünen Gitterkasten von ungefähr einem Meter Länge – hervorholt, verschwindet das Kätzchen. Sie stellt den Kasten ein paar Schritte vor dem Kätzchenversteck hin, öffnet eine Büchse mit Thunfisch, füllt ein wenig davon in ein Tupperware und stellt es in die Falle. Das geschlossene Ende des Gitterkastens deckt sie mit einem Frottiertuch ab, damit die Katzen weniger Angst haben. Dann beginnt das Warten. 

Ein Tigerchen schleicht unter dem blauen Traktor durch. Eine Schwarze sitzt vor der Türe des Wohnhauses, eine Gefleckte ein paar Meter daneben. Doch bei der Falle tut sich nichts.

Mit jeder Alterswoche wilder
Meist versucht Bernauer Katzen zu jenen Tageszeiten einzufangen, zu denen sie auf dem Hof jeweils gefüttert werden. Da hier bereits einige Versuche scheiterten, versucht sie ihr Glück diesmal zu einer anderen Uhrzeit. Trotzdem holt Thomas Graber jetzt eine Handvoll Trockenfutter und wirft sie zwischen die Falle und das Versteck der jungen Büsi, um sie rauszulocken. 25 Kilogramm dieses Futters brauche er pro Woche, sagt der Landwirt, und dazu eine Kiste Nassfutter. Das koste ihn 52 Franken pro Woche.

NetAP lässt ihm immer wieder mal Futterspenden zukommen. Die Tierschützer sind froh, dass er sich um die Katzen kümmert, denn neue Plätze für verwilderte Katzen zu finden ist sehr schwierig. Auch deshalb möchte Prisca Bernauer nun unbedingt die beiden kleinen Kätzchen erwischen – mit jeder Alterswoche verwildern sie stärker, bald könnte es zu spät sein, um sie noch zu zähmen. 

Tatsächlich streckt nun wieder eines seinen kleinen Kopf aus dem Loch in der Wand. Und hopp, springt es sogar ganz hinaus und schnuppert am Trockenfutter, das ausserhalb der Falle liegt. Doch nun kommt eine helle grössere Katze zwischen den Rädern einer Maschine hervor und nähert sich dem Eingang der Falle. «Nein, du nicht», sagt Bernauer, und macht zwei Schritte auf das Tier zu, um es zu verscheuchen. Denn sie hat die fehlende linke Ohrspitze der Katze erkannt: Tierschützer markieren so kastrierte Tiere, um sie nicht ein zweites Mal einfangen zu müssen und ihnen den unnötigen Stress einer erneuten Narkose zu ersparen.

Nun wäre der Weg in die Falle für das junge Büsi wieder frei. Doch es scheint sich nicht für den Thunfisch zu interessieren und verschwindet nach ein paar Minuten wieder. Vielleicht klappt es mit einer der vier Ausgewachsenen, die noch kastriert werden sollten, besser? Bernauer trägt die Falle auf den Platz zwischen Stall und Haus, und Thomas Graber öffnet ein Büchse Nassfutter, um die Katzen zumindest in die Nähe zu locken. Das scheint ihre Leibspeise zu sein. Eine kommt aus der Scheune angetrippelt, eine kommt unter dem Traktor hervor, eine andere taucht an der Hausecke auf. Und da ist auch eine schlanke Graue, auf die Graber nun deutet: «Die wäre zum Kastrieren!»

Dankbar für die Unterstützung
Dass er die Katzen kennt und Prisca Bernauer zeigen kann, welche es einzufangen gilt, ist für sie sehr hilfreich. Nicht überall klappt die Zusammenarbeit zwischen Grundstückbesitzer und Tierschutz so gut wie hier. Es gibt auch Bauern, die ihre Tiere nicht kastrieren wollen, weil sie an den Mythos glauben, dass damit der Jagdtrieb verloren gehe. Für andere ist das Wort «Tierschutz» per se ein rotes Tuch – und die Tierschützerinnen (die allermeisten sind Frauen) kriegen auch mal zu hören, jemand erschiesse lieber Katzen, als sie ihnen zu überlassen. 
Thomas Graber aber ist gottenfroh um die Unterstützung von NetAP, wie er sagt. Vor ungefähr einem Dutzend Jahren habe er bereits einmal sämtliche Katzen auf seinem Hof – damals waren es 170 – auf eigene Kosten kastrieren lassen. Aber eben, es seien ständig neue dazugekommen, ihm zugelaufen oder ausgesetzt worden. 

Plötzlich scheppert es, die Falle ist zugeschnappt. Die Katze darin sieht aus wie ein Siam-Mischling, ein elegantes Tier, das jetzt aber etwas verängstigt um sich guckt. Prisca Bernauer eilt hin und deckt den Käfig mit dem Frottiertuch ganz zu, damit sich die Katze beruhigt. Doch es ist das falsche Tier, ein bereits kastriertes. Bernauer öffnet den Käfig, und nach kurzer Bedenkzeit flitzt die Katze davon. An diesem Tag wird es wohl nichts mehr. 

Eine Woche später berichtet Bernauer, dass nun die schlanke Graue, die sich schon am ersten Tag gezeigt hat, in den Käfig ging. Eine weitere Woche später hat sie die zwei Jungtiere erwischt. Es bleiben noch drei Ausgewachsene einzufangen. «Das kann sich über Wochen hinziehen», sagt die Tierschützerin, die all diese Einsätze in ihrer Freizeit macht – neben Berufstätigkeit und als Mutter eines kleinen Kindes. Doch sie bleibt dran. Denn sie weiss, wie rasch aus einer unkastrierten Katze zwei, drei, fünf oder zehn werden können.

Dieser Artikel erschien erstmals 2019 in der «Tierwelt».