Es duftet nach frisch gemähtem Gras, auf der Weide bringen Kühe ihre Glocken zum Klingen, junge Kätzchen schnurren bei der Fellpflege vor dem Hauseingang und irgendwo gackern Hühner. Es ist diese Idylle, die viele Wanderer regelmäs­sig aufs Land und vorbei an zahlreichen Bauernhöfen führt. Oft ist es aber auch dieselbe Szenerie, die vielen den Angstschweiss auf die Stirn treibt. Denn nicht selten wird ein Bauernhof von einem Hund bewacht, der den Passanten mitunter lautstark deutlich macht, dass sie sich gefälligst vom Acker machen sollten. So, dass der Hofhund schliesslich bei vielen eher negativ besetzt ist.

Das weiss auch Sandra Weber. Die 49-Jährige betreibt seit über 15 Jahren eine Hundeschule in Urnäsch AR und bietet Kurse für Personen an, die Angst vor Hunden haben. «In 80 Prozent der Fälle betrifft dies Hofhunde», sagt Weber. Die probiert sie zu lindern, indem sie den Kursteilnehmern die wichtigstens Regeln im Umgang mit Hofhunden (siehe aufklappbare Box weiter unten) vermittelt und sie ins ABC der Hundesprache einführt. «Wer weiss, wie man den Hund lesen muss und was seine Körperspannung, die Stellung der Ohren und der Rute aussagen, wird sicherer im Umgang mit ihm.»

Oft mangele es am Verständnis dafür, welche Aufgaben ein Hofhund hat und was für Verhaltensweisen das mit sich bringt. «Ein Hofhund, der sich von hinten nähert, ist nicht hinterhältig, wie viele meinen», erklärt Weber. «Zum einen hinterlassen Passanten Duftwolken, denen ein Hofhund hinterherriecht. Zum anderen treibt er die Kühe ebenfalls von hinten auf die Wiese oder in den Stall.» Ein Labrador, der frontal zu Fremden hinrennt und sie anspringt, sei deshalb viel frecher als der Hofhund, der sich von hinten nähert. «Das wird selbst von Leuten missverstanden, die den Umgang mit Hunden gewohnt sind.»

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Ein gemeinsames Ziel verfolgen
Wenn Weber mit Hundehaltern arbeitet, sind das vor allem Bäuerinnen und Bauern mit ihren Vierbeinern. Erfreulich ist, dass diese Tendenz zunimmt und man sich mehr um deren Erziehung bemüht. Hofhundehalter wüssten oft zu wenig über die Körpersprache und das Verhalten von Hunden. «Für sie muss der Hund in erster Linie funktionieren. Dass das nicht so einfach ist, merken sie erst, wenn es Probleme gibt.» So leistet Weber mit ihrer Hundeschule gewissermassen Übersetzungsarbeit für Hofhundehalterinnen und -halter.

Und das im Privattraining auf dem Hof oder dem Hundeplatz, in der Gruppe oder in einem eigens dafür gestalteten Hofhundekurs. Letzterer besteht aus einem Theorie- und einem Praxisteil, die an zwei verschiedenen Tagen stattfinden. Im Theorieteil wird das Grundwissen vermittelt und die Hofhundehalter formulieren ihre Erwartungen an den Hund. So lernen sie allfälliges Fehlverhalten zu verstehen und dessen Ursachen zu erkennen – oder besser noch, es gar nicht so weit kommen zu lassen.

Im Praxisteil geht es an den Auf- und Ausbau der wichtigsten Signalwörter wie «Sitz», «Platz», «Warten» und «Komm» sowie darum, die Bauern dafür zu begeistern, mit ihren Hunden spielerisch zu arbeiten, beispielsweise mit Apportieren, Treiben oder Suchen. Dabei gehe es weniger um die Tätigkeit selber, sagt Weber. Wichtig sei, dass Hund und Halter etwas zusammen machen, also ein gemeinsames Ziel verfolgen. «Und wie nach einer gemeinsamen Jagd gibt es am Ende meist die ganze Futterportion. Nicht als Belohnung, sondern als Konsequenz für die erfolgreiche Jagd.»

Wer möchte, kann den Arbeitswillen und die Spürnase seines Hofhundes auch gezielt nutzen und ihn beispielsweise dazu animieren, Hausschlüssel zu suchen, verlorene Kreiselheuerzinken aufzuspüren oder bei der Gartenarbeit eine Giesskanne zu bringen. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, animieren viele Teilnehmer dazu, sich nach dem Hofhundekurs weiterhin von Weber in Einzel- oder Gruppentrainings begleiten zu lassen.

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Sich täglich mit dem Hund beschäftigen
Der Unterricht unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von solchen von anderen Hundeschulen, wie der Besuch einer Gruppenlektion in Urnäsch zeigt: Weber hat auf dem eingezäunten Platz einen Parcours vorbereitet, bestehend aus verschiedenen Hindernissen; einem Posten, an dem dem Hund mit einem Tuch ein provisorischer Maulkorb angelegt wird; einem Bereich zum Apportieren; dem von Weber selber gebauten Duftkasten für Schnüffelspiele und Gymnastikbällen als Aufbau zur Arbeit an Tieren.

Allerdings wird bereits auf dem Weg vom Auto zum Hundeplatz sichtbar, dass die Hunde lernen müssen, auch mit Hoftieren auszukommen. Neben Katzen und Hasen sieht man auch Hühner. Neben Jagdhündin Kaira, Stras­senhündin Julka und dem Australien Shepherd Baily sind zwei der heutigen fünf Teilnehmer Hofhunde: die fünf Monate alte Bergamasker-Mischlingshündin Amy von Trudi Tobler und die zweieinhalbjährige Appenzeller-Mischlingshündin Fiona von Margrith Bodenmann.

Und auch wenn der Lärmpegel wegen Amys lauter Stimme gross ist und Fiona die anderen Hunde zwischendurch am liebsten zum Teufel jagen würde, so ist doch zu erkennen, dass hier Vier- und Zweibeiner zusammenarbeiten und aufeinander achten. Genau das Ziel verfolge sie mit ihrer Arbeit, sagt Weber. «Wenn sich ein Bauer nur schon fünf bis 15 Minuten pro Tag intensiv mit dem Hund beschäftigt, erreicht er eine bessere Beziehung, was beinhaltet, dass sich dieser mehr an ihm orientiert, anstatt jeweils alles selbstständig zu entscheiden.»

Dass sich die Arbeit mit dem Hofhund lohnt, weiss Weber nicht nur aus den Rückmeldungen ihrer Schülerinnen und Schüler, sondern auch aus eigener Erfahrung. Und die geht mehrere Jahrzehnte zurück. Angefangen hat es mit Hofhund Rico vor über 30 Jahren. Nachdem der unkastrierte Rüde eine ganze Woche wegen einer läufigen Hündin ausgebüxt war, drohte dem Hund die Weggabe. Um das zu verhindern, nahm Weber die Erziehung des Hundes mithilfe eines Buches selbst an die Hand. Dieses handelte nicht von Hofhunden im Speziellen, sondern darum, Hunde im Allgemeinen zu verstehen.

Fachwissen und eigene Erfahrungen
«Ob Hofhund oder nicht, mir ging es darum, mich in den Hund hineinversetzen zu können. Wieso bellt er? Wieso folgt er nicht? Wieso ist er nicht ansprechbar?» Rico durfte bleiben und war somit ihr Lehrer und nicht umgekehrt, wie Weber sagt. Dies war der Anfang ihrer Laufbahn zur Natural-Dogmanship-Instruktorin, einer Hundeschulphilosophie, bei der der Umgang mit dem Hund auf Teamwork und Verständnis basiert.

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Hofhundehalter gelangen oft erst an Weber, nachdem sie bei anderen Hundeschulen schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das verwundert die Hundetrainerin nicht. Auch Weber musste schon erfahren, wie befremdlich manche Hündeler auf Hofhundehalter reagieren. «Mir ist es egal, wenn ein Hund nach Gülle duftet oder an einem Strick geführt wird.» Einzig die Sicherheit müsse gewährleistet sein, was sie immer anspreche. Dass eine richtige Leine oft sinnvoller sei, werde dann jeweils auch eingesehen.

Auch die Kursinhalte seien teilweise für Hofhundehalter wenig sinnvoll. Weber nennt als Beispiel das Stadttraining. «Das ergibt für einen Hofhund, der nicht wie ein Familienhund überall mitgenommen wird, wenig Sinn.» Stattdessen sollten Landwirte mit ihren Hunden dort abgeholt werden, wo es für sie auch sinnvoll ist. Und das könne sie, die selber auf einem Hof lebt, aus Erfahrung gut. Dies, indem sie den Bauern beispielsweise klarmache, dass auch ein Hofhund Regeln braucht, auch wenn er nicht ins Haus darf.

Zeit der giftigen Hofhunde vorbei
Statt eines Sofaverbots gibt es im Stall das Verbot, auf Heu- oder Siloballen zu steigen, um dort erhöht Beachtung zu bekommen. Als weiteres Beispiel dieser Übersetzungsarbeit erzählt Weber, wie sie einem Bauern klarmacht, dass es wichtig ist, sich bei der Wahl des Hofhundes Gedanken über dessen Eignung zu machen. «Genau so wie jeder Landwirt weiss, dass sich Galloway nicht als Milchkühe eignen, sollte er sich auch beim Hofhund zunächst fragen, wofür er ihn einsetzen will, bevor er einfach den nächstbesten nimmt.

Die Zeiten, in denen ein giftiger und bissiger Hofhund einfach so akzeptiert wurde, seien nämlich längst vorbei. «Ein Bauer, der einen solchen Hund hat, hat ihn heutzutage nicht mehr lange.» Denn anders als andere Hundehalter können Bauern nicht einfach umziehen, wenn die Nachbarschaft sich am Hund stört. Also hätten sie durchaus ein Interesse daran, dass es gar nicht erst zu Konflikten kommt.

Hier gibt Weber den Hofhundehaltern auch konkrete Tipps, wie sich das Konfliktpotenzial vermindern lässt. So etwa durch Begrenzung. Indem der Bauer seinen Hund nachts räumlich begrenzt oder wenn er den Hof verlässt, wisse er immer, wo sich der Hund aufhält, und müsse nicht riskieren, dass er sich verselbstständigt, wenn Herrchen oder Frauchen nicht zur Stelle sind. «Doch obwohl sie ihre Nutztiere ja auch in Ställen halten, und zum Teil noch angebunden, fällt der Gedanke, den Hund ins Haus zu nehmen oder in einem tierschutzgerechten Zwinger zu halten, schwer.» Hier will Weber weiterhin Sensibilisierungsarbeit leisten.