Es hat ein bisschen was von einem Delikatessenladen, was da im Naturhistorischen Museum in Bern entstanden ist: Schummrig beleuchtete Glasvitrinen füllen den ganzen Raum. Darin mehr Gläser, mit eingelegten Fischen. In Alkohol statt in Salzlake; statt Spezialitäten aus Nordsee und Mittelmeer sind es vor allem Fische aus den Schweizer Seen, die darin schwimmen. Und zum Essen sind sie auch nicht gedacht. 

«Wunderkammer – Die Schausammlung» heisst die neue Dauerausstellung, die das Museum nun wieder der Öffentlichkeit zeigen darf – und entstanden ist sie unter anderem, weil Martin Troxler der Platz ausgegangen ist. Der Leiter des Präparatoriums und sein Team haben seit 2010 Tausende Fische präpariert. «Wir hatten ein Platzproblem in den bestehenden Sammlungsräumen und haben uns überlegt, was wir tun könnten. Mit dieser Ausstellung hat sich nun eine Win-win-Situation ergeben.»

Die Fische stehen nicht einfach im Museum, um hübsch auszusehen. Sie dienen der Wissenschaft. Im Rahmen von «Projet Lac», einem gross angelegten Forschungsprojekt unter der Leitung der Wasserforschungsanstalt Eawag, ist hier in den letzten zehn Jahren eine Referenzsammlung von Fischen aller Schweizer Seen entstanden. 

«Man nimmt immer an, dass wir die einheimische Fischfauna bestens kennen», sagt Lukas Rüber, Kurator für Fische im Naturhistorischen Museum. «Dem ist aber nicht so. Um unsere Fische besser zu schützen, muss man sie besser kennen.» Und dazu dient die Sammlung, die auch im internationalen Vergleich einmalig ist. Die 9575 Fische sind schon jetzt Teil von Untersuchungen. Sie sollen aber auch in zehn und in hundert Jahren noch der Wissenschaft dienen. Dafür müssen sie als Nasspräparat für die Nachwelt haltbar gemacht werden – und hier kommt Martin Troxler ins Spiel.

Alte Methoden noch immer top
Er führt auf die andere Seite des raumfüllenden gläsernen Kubus. Auch ums Eck sind die Vitrinen voller Gläser mit Fischen, nur wirken sie nicht mehr ganz so frisch eingelegt. Ein gelblicher Patinaschleier hat sich über die Präparate gelegt. «Das ist die Lösung», sagt Troxler. «In zwei Jahren sind die Neuen auch gelb.» Die Fische in diesem Teil der Sammlung sind seit mehr als hundert Jahren in ihren Gläsern eingeschlossen. «Die wurden damals sehr gut präpariert, mit ihnen ist bis heute nicht viel passiert.»

Überhaupt sind es, so Troxler, die alten Methoden, die sich bis heute bewähren. «Eine Zeit lang hat man Formaldehyd verwendet statt Alkohol. Man war auf der Schiene: Gift ist gut.» Heute würden die Tiere – wie ganz früher – wieder in hochprozentigem Alkohol konserviert. «Der hat den Vorteil, dass er die DNA des Tieres nicht kaputtmacht.» Aber er hat auch einen Nachteil: «Alkohol entwässert. Das lässt den Fisch schrumpfen.»

Um mit Tieren wissenschaftlich arbeiten zu können, müssen sie aber ihre ursprüngliche Form behalten. Deshalb, erklärt Troxler, benötigt es eine ganze Menge Arbeitsschritte, bis so ein Fisch fertig präpariert ist. «Wir fangen mit einer 30-prozentigen Ethanollösung an und fahren dann schrittweise hoch, bis auf 75 Prozent.» So dauere es rund anderthalb Monate, bis ein Präparat fertig sei. 

Ausserdem reiche es nicht, die Tiere in die entsprechende Lösung einzulegen, sie müssen auch von innen behandelt werden. Troxler Erklärung dazu leuchtet ein: «Wenn es regnet, werde ich auch nur aussen nass. Es braucht eine Weile, bis die Haut durchlässt.» Also spritzt der Präparator den Fischen Formalin in den Körper, damit ihr Gewebe nicht von innen her verwest. 

Zuletzt muss das Glas mit dem Präparat  noch fachkundig verschlossen werden. Auch hier schwört Troxler auf althergebrachte Techniken. «In Museen hat man lange Zeit nur einen Deckel auf die Gläser geschraubt.» Unmut schwingt nun in der Stimme des Präparators mit: «Aber wenn Sauerstoff reingelangt, wird die Lösung sauer. Dann kann nicht mehr sichergestellt werden, dass ein Präparat gut erhalten bleibt.» 

Troxler zeigt auf ein altes, zylinderförmiges Glas und erklärt, wie mans früher gemacht hat: «Das ist ein Glasstopfen, der ins Glas hineingeschliffen ist. Das war alles Handarbeit, da hat jeder Deckel nur genau auf ein Glas gepasst.» Damit er das Glas luftdicht verschliesst, ist Hitze gefragt: «Er wird auf 90 Grad erhitzt, dann mit Vaseline eingeschmiert und rasch aufs Glas gedrückt.» Durch die Hitze werde etwas Luft aus dem Glas getrieben. «Das reicht, um einen Unterdruck zu erzeugen.» Der Behälter ist luftdicht verschlossen und das Präparat bleibt jahrzehntelang gut erhalten.

Doppelkopf als Kinderschreck
Dass Fische in einer Lösung präpariert werden, verwundert nicht, schliesslich leben sie im Nass. Auch die Frösche und Salamander in den Gläsern etwas weiter hinten passen gut ins feuchte Element. Aber die «Wunderkammer» des Naturhistorischen Museums zeigt auch Tiere, die man eher im Trockenen erwarten würde; «ausgestopft», wie der Laie sagt. Da treibt ein Hundebaby in einem der Gläser. Ein anderes ist bis oben gefüllt mit Mäusen. Auf Kinderkopfhöhe hat ein siamesischer Doppel-Lammkopf Alptraumpotenzial. 

Es ergebe auch bei Säugetieren durchaus Sinn, sie in Flüssigkeit zu konservieren, sagt Troxler. Auch bei ihnen gehe es darum, sie für die Forschung aufzubewahren. «Wissenschaftlich ist das viel wertvoller als ein Trockenpräparat. Dort hat man nur noch Haut und Haare, der Rest ist weg.»  
Troxler hat den Glaskubus einmal umrundet. Er ist stolz, dass er die Sammlung aus dem finsteren Keller holen durfte und nun einem breiten Publikum präsentieren kann. Mit einem Aber: «Konservierungstechnisch ist es eigentlich nicht klug, die Präparate so auszustellen.» Jedes Licht, sei es noch so gedimmt, verursache Schäden an den Präparaten. 

«Ich wäre ein schlechter Fachmann, wenn ich nicht warnen würde», sagt er. «Wenn Sie einen Konservator fragen, würde er die Mona Lisa auch am liebsten irgendwo im Dunkeln aufbewahren.» Mit dem gedimmten Licht im Ausstellungsraum können er und sein Team aber leben. «Jetzt haben wir einen Kompromiss, hinter dem alle stehen können.»