Es herrscht Aufbruchstimmung im Garten von Luzia Candreia in Azmoos SG. Die Brustgeschirre sitzen, die Schleppleinen sind eingehakt und die Ruten wedeln: Bordercollie-Dame Sidi, Schäferhund-Mix Bugs und Bordercollie-Mix Shahruk könnens kaum erwarten, gleich mit Frauchen den angrenzenden Wald zu entdecken.

Während die drei Hunde voller Vorfreude hinter dem Zaun auf und ab gehen, bahnt sich ein flauschiges, rot getigertes Etwas den Weg zwischen den Hundebeinen hindurch. Kater Ruby lässt sich vom vorfreudigen Gewusel der Hunde offenbar nicht aus der Fassung bringen. Er läuft zwischen den Zaunstäben hindurch, fläzt sich auf dem Vorplatz und leckt entspannt seine rechte Vorderpfote. Candreia ruft ein langgezogenes «Ladys, wir gehen!» ins Haus. Und tatsächlich: Kurz, bevor die Tür hinter ihr zufällt, laufen auch die Katzendamen Lena und Pepper ins Freie.

Seit drei Jahren an der Tagesordnung
Als Candreia mit den Hunden an den Schleppleinen über die Strasse Richtung Wald läuft, lassen sich auch die Katzen nicht zweimal bitten. Fast unbemerkt und mit etwas Abstand watscheln sie ihrem Frauchen und den Hunden hinterher.

Dass sie auf ihren Spaziergängen mit den Hunden von den Katzen begleitet wird, gehört für Candreia beinahe zur Tagesordnung. Ruby sei «so gut wie immer dabei», sagt die Hundeerziehungsberaterin. Lena und Pepper je nach Lust und Laune. Und das seit bald drei Jahren. «Anfänglich haben die Katzen sofort kehrtgemacht, wenn uns Fussgänger, Autos oder Kinder begegneten», erzählt Candreia. Auch sie selber habe es zu Beginn etwas Überwindung gekostet, die Katzen mitlaufen zu lassen. Schliesslich sei Lena am vorherigen Wohnort bereits einmal unter ein Auto geraten. Und Ruby hat sich während eines Schneegestöbers vor Schreck schon mal vier Stunden auf einem Baum verschanzt. Inzwischen seien alle entspannter unterwegs.

Der Spaziergang im Video

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So reagieren die Samtpfoten auch beim heutigen Spaziergang erstaunlich gelassen auf allerlei Störungen unterwegs – von denen ihnen diesmal allerhand begegnen: Um eine Passantin und deren Hund, der Sidi, Bugs und Shahruk lautstark begrüsst, machen die Katzen einen grosszügigen Bogen. Vom lauten Brummen eines Transporters, der die Gruppe auf dem schmalen Waldweg überholt, lassen sich weder die Hunde noch die Katzen aus der Ruhe bringen. Und als Candreia ihre Vierbeiner vor einem entgegenkommenden Velofahrer warnt, weichen Lena, Pepper und Ruby brav aus. «Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Katzen mir besser folgen als die Hunde», sagt die 40-Jährige und lacht.

Katzen sorgen für Entschleunigung
Während des Spaziergangs auf dem Waldweg geht es gemütlich zu und her. Immer wieder blickt Candreia zurück, ob das Rudel noch komplett ist, hält mit den Hunden kurz an und wartet, bis die Katzen auf ihren kurzen Beinchen den Anschluss an die Gruppe wieder finden. Sie seien schon deutlich langsamer unterwegs, wenn die Katzen sie begleiten. «Aber das tut mir und auch den Hunden gut.» Kater Ruby sorgt bisweilen gar aktiv für Entschleunigung. Wenn es ihm zu schnell geht, überholt er meckernd miauend mit einem kurzen Sprint die Gruppe, um sich kurzerhand auf dem nächsten Baumstrunk oder auf der erstbesten Sitzbank hinzulegen und das Rudel auszubremsen. Die durch Ruby verordnete «Zwangspause» nutzt auch Candreia, um Kraft zu tanken, die Aussicht über den Weinberg runter ins St. Galler Rheintal zu geniessen und mit Rüde Shahruk zu kuscheln.

«Gehören die Katzen etwa auch zu Ihnen», fragt ein Mann, der gerade die Hecken am Wegrand zurechtstutzt, sichtlich erstaunt. Und ein anderer Nachbar betont, die Katzen immer nur in Begleitung von Candreia und den Hunden zu sehen. Tatsächlich halten sich Ruby und Pepper sonst immer in Rufweite rund ums Haus auf, wie sie sagt. Nur Lena wage sich zwischendurch auch alleine auf die Pirsch, allerdings zieht es sie dann eher Richtung Dorf. «In den Wald gehen die Katzen nur mit mir und den Hunden.»

Die letzten 150 Meter des Spaziergangs führen auf einer schmalen Strasse zwischen Häusern durchs Quartier zurück zu Candreias Haus. Auch hier zieht das spezielle Rudel die Blicke auf sich. Nur schon mit drei Hunden an der Leine fällt man auf; folgen dann noch drei Katzen im Schlepptau, ist die Verblüffung komplett. Immer wieder werde sie gefragt, wie sie das den Katzen beigebracht habe, mitzulaufen, so ganz ohne Leine oder Leckerlis. Die Antwort: «Gar nicht. Das hat sich so ergeben.» Eine Fügung, von der alle profitieren: Die Hunde können entschleunigen, die Katzen den Wald entdecken, die Passanten staunen und Candreia gemeinsame Zeit mit ihren sechs Haustieren verbringen.