Am Vortag schwebte Armeepferd Pralin im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes mit einem Helikopter durch die Lüfte und nun steht er völlig geerdet im Stallgang. Seinen Kopf hält er tief zum Boden gesenkt, damit es Matthias möglich ist, ihn vom Rollstuhl aus zu zäumen. Beim Putzen und Satteln steht Trainerin Lea Städler mit Rat und Tat zur Seite. Sie erklärt währenddessen: «Genau die umfassende Ausbildung und die vielseitigen Einsatzgebiete der Militärpferde des VBS machen sie zu ausgezeichneten Partnern im Parareitsport.»

Schon machen sich die drei auf den Weg Richtung Reithalle. Beim Aufsteigen wird deutlich, dass die Parareiterei ein Teamsport ist, bei dem gegenseitiges Helfen grossgeschrieben wird. Mitreiterin Anja hält Pralin vom Rollstuhl aus fest, während Reitlehrerin Lea und Anjas Mutter Matthias in den Sattel heben. Kaum hat sich der junge Mann auf dem Pferderücken zurechtgesetzt, erhellt ein breites Lachen sein Gesicht.

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Während den Aufwärmübungen im Schritt am Führseil erzählt er: «Bereits als Kind bin ich auf Shetlandponys gesessen und habe dann während sieben Jahren Reittherapie gemacht. Die Bewegungen der Pferde entspannen meinen Muskeltonus besser als jede Physiotherapie.» Seit November 2020 besuche er im Nationalen Pferdezentrum (NPZ) Bern Reitstunden. «Ich arbeite mit Lea an der selbständigen Führung des Pferdes, was mir grossen Spass bereitet.»

Auf die Kommunikation kommt es an
Obwohl Pralin und Matthias heute erst das zweite Mal zusammen unterwegs sind, gelingt es ihm zum Schluss der Stunde, den Wallach mit Gewichts- und Stimmhilfen in einer perfekten Acht durch die Halle zu zirkeln. Die Begeisterung ist nicht nur beim Reiter, sondern auch bei der Trainerin sowie den zuschauenden Mitreitern Heidi und Ralf, die wegen des Equinen Herpesvirus nicht mit ihren eigenen Pferden anreisen konnten, gross. Getreu nach dem Sprichwort «Geteilte Freude ist doppelte Freude». 

Auch Anja macht es sich später auf dem Rücken von Pralin bequem. Normalerweise reitet die bald 16-Jährige den Wallach Checkmate, der jedoch aufgrund eines Arthroseschubes ausfällt. Mit ihm bildet die Gymnasiastin, die seit Geburt an inkompletter Paraplegie leidet, ein eingespieltes Team. «Vor kurzem habe ich mit Checkmate das Reitbrevet absolviert. Zwischen uns beiden stimmt die Chemie halt einfach», schwärmt sie.

Unter Leas Anleitung finden Anja und Pralin erstaunlich rasch zusammen. Den Parareiterinnen und -reitern kommt die Ausbildung ihrer Reitlehrerin zugute – sie ist gelernte Bereiterin und absolviert zudem ein Sportstudium. So gelingt es ihr optimal auf das Vermögen von Mensch und Pferd einzugehen. «Ich richte meinen Unterricht auf die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd aus.»

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Vertrauen ist wichtig
Zurück in den Stallungen kommt man aus dem Staunen kaum heraus, denn Ramona ist dabei, ihren Schützling Caruso selbstständig bereitzumachen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie jede Bewegung sitzt und der Wallach mit der jungen Frau, die seit einem Arbeitsunfall auf den Rollstuhl angewiesen ist, kooperiert. Lea muss nur noch den mit speziellen Polsterungen und Steigbügeln ausgestatteten Sattel auf Carusos Rücken platzieren.

Auch die Ausrüstung wird grösstenteils vom NPZ zur Verfügung gestellt. Simone Rubli, die Präsidentin von «Pferdesport mit Handicap», betont: «Die Unterstützung vom NPZ ist grossartig. Das Nationale Pferdezentrum bietet uns ideale Trainingsmöglichkeiten und kann als schweizerisches Kompetenzzentrum des Parareitsports bezeichnet werden. Was uns jedoch noch weiter bringen würde, wäre ein gezielt für den Parareitsport ausgebildetes und trainiertes Pferd, das unseren Reiterinnen und Reitern konstant zur Verfügung steht.» Deshalb habe man ein Crowdfunding zum Kauf einer bestens für diese Anforderungen geeigneten Stute lanciert.

Unterdessen macht auch Caruso unter Ramona einen tollen Job. Konzentriert üben die beiden Trab-Schritt-Übergänge. Während den Trainingseinheiten wird nicht an lobenden Worten gespart – der Reitschülerin gegenüber und natürlich ebenso an den pferdischen Partner gerichtet. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, sodass sich Ramonas konzentrierte Miene immer wieder zu einem Schmunzeln aufhellt. 

«Durch die Arbeit mit Lea und Caruso habe ich viel Selbstvertrauen gewonnen», erklärt die begeisterte Reiterin. «Dem Pferd gegenüber, aber auch in meine eigenen Fähigkeiten.» Neben dem Vertrauen stechen zwei weitere Merkmale beim Zuschauen des Para-Equestrian-Trainings heraus, von denen sich auch Regelreiter inspirieren lassen können: die grosse Ruhe und die Freude im Umgang mit dem Partner Pferd.

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