Es ist schon erstaunlich, was die alten Ägypter alles leisteten. Sie bauten riesige Pyramiden und Tempelanlagen. Sie entwickelten eine komplexe Hieroglyphen-Schrift. Und ihre Kunst überdauerte die Jahrtausende.

So auch das berühmte Wandbild der «Gänse von Meidum» in der Grabkammer des Wesirs und Prinz Nefermaat und dessen Frau Itet. Das Fresko stammt aus dem Alten Reich und ist geschätzte 4600 Jahre alte. Heute befindet es sich im Ägyptischen Museum in Kairo.

Die detailgetreue und realistische Abbildung von Tieren ist typisch für die Kunst der Alten Ägypter. So konnten auch bei den Gänsen von Meidum die beiden äussersten Tiere als Grau- oder Saatgänse und die beiden Gänse in der Mitte links als Blässgänse identifiziert werden. Die beiden farbenfroheren Expemplare, das müssen Rothalsgänse sein, dachte man.

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Kritieren stimmen nicht
Der australische Paläontologe Anthony Romilio aber fand, dass diese beiden Gänse der Rothalsgans eigentlich gar nicht so gleichen. Er wollte es genauer wissen und wandte die sogenannten «Tobias-Kriterien» an. Im «Journal of Archaeological Science: Reports» berichtet er, was dabei herauskam. So zeigten die Kritieren, dass die abgebildeten Graugänse mit ihren echten Vorbildern übereinstimmen. Allerdings konnte Romeiro nicht ausschliessen, dass es sich auch um Saatgänse handeln könnte. Bei den Blässgänsen war das Ergebnis dagegen eindeutig. Die dritte Gänseart aber stimmte nicht mit der Rothalsgans überein.

«Niemand hat also bis jetzt bemerkt, dass hier eine unbekannte Art gezeigt wird», sagt Romilio in einer Medienmitteilung der Universität Queensland, an der er forscht. «Dieses ägyptische Kunstwerk ist die einzige Dokumentation dieser Gans mit diesem Gefiedermuster, die heute auf der ganzen Welt ausgestorben zu sein scheint.»

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Fehler oder künstlerische Interpretation?
Romilio will nicht ausschliessen, dass die Unterschiede in der Färbung einer fehlerhaften Darstellung der Rothalsgans oder einer freien künstlerischen Interpretation geschuldet sind. «Aber gerade in dieser Grabkammer sind die Darstellungen von anderen Vögeln und Säugetieren extrem realistisch.»

Der Paläontologe hat schon andere ausgestorbene Tiere wie den Auerochsen in ägyptischen Kunstwerken ausfindig gemacht und darüber ein Buch geschrieben. «Diese antiken Tierdarstellungen geben uns ein Bild der Biodiversität, wie sie vor Tausenden von Jahren zusammen mit den Menschen existierte», sagt er. «Ich sehe sie auch als eine Mahnung an. Wir Menschen haben grossen Einfluss über das Überleben von Arten, die heute mit uns zusammenleben.»