Wilde Weissbüscheläffchen im brasilianischen Regenwald können sich Techniken aneignen, die ihnen fremde Artgenossen per Lehrvideo vorführen. Für die Affenversuche brachte das Team um Tina Gunhold von der Universität Wien zwei in Gefangenschaft lebenden Äffchen bei, eine spezielle Apparatur zu öffnen, um an darin verborgenes Futter zu kommen. Sie zogen dafür entweder eine Schublade auf oder hoben einen Klappdeckel.

Dann produzierten die Forscher zwei fünfminütige Videos, in denen die beiden Techniken aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen waren. Sie stellten die Apparatur samt Bildschirm im brasilianischen Regenwald auf. Je drei Familien wilder Weissbüscheläffchen bekamen entweder das Schubladen- oder das Klappenvideo gezeigt.

In fünf dieser Gruppen schafften es Tiere, die Box zu öffnen und an das Futter zu gelangen, berichteten die Forscher - und zwar in den meisten Fällen mit jener Technik, die sie auf dem Video gesehen hatten. Von sechs Kontrollgruppen, denen lediglich ein Standbild eines Artgenossen neben der Apparatur gezeigt wurde, schaffte es hingegen nur eine, an das Futter zu kommen (mittels Schublade).

Vorbild kopiert
Anlass für die Vogel-Versuche war ein Goffin-Kakadu-Männchen namens Figaro, das herausgefunden hatte, wie man aus einem Holzbalken längliche Splitter herstellt, um damit Cashewnüsse hinter einem Gitter hervorzustochern. Von seinen auf einer indonesischen Insel lebenden wilden Verwandten ist kein Werkzeuggebrauch dokumentiert.

Das Team um Alice Auersperg von der Universität Wien wollte nun wissen, ob andere Goffin-Kakadus den Trick von Figaro abschauen können. Drei Männchen und drei Weibchen, die mit fertigen Splittern zunächst nichts anzufangen wussten, durften Figaro beobachten, wie er damit an die Leckerbissen kam.

Nach vier bis fünf Werkzeug-Vorführungen hatten die drei Männchen «Pipin», «Dolittle» und «Kiwi» genug gelernt, um selbst mit dem Werkzeug an die Nüsse zugelangen, so die Forscher. Die Weibchen hingegen waren weniger motiviert, womöglich weil sie während der Brut sowieso von ihrem Partner gefüttert werden.

Eigene Strategie entwickelt
Pipin, Dolittle und Kiwi hatten zwar das Nüsse-Angeln gelernt, aber nicht Figaros Technik kopiert, erklärten die Forscher. Sie nahmen die Splitter anders in den Schnabel und schnippten sie auf Bodenhöhe zur Seite. Figaro hingegen hatte die Werkzeuge auf unterschiedlichen Höhen zwischen die Gitter geschoben. Erstmals konnte damit nach Angaben der Forscher bei einer Vogelart die soziale Weitergabe eines nicht angeborenen Werkzeuggebrauchs beobachtet werden. Ausserdem könnten die Kakadus eigene Strategien entwickeln, um dasselbe Resultat zu erreichen wie ihr Vorbild.

Originalpublikationen:
A. M. I. Auersperg et al.: Social transmission of tool use and tool manufacture in Goffin cockatoos (Cacatua goffini). Proc R Soc B 2014 281: 2014097
doi: 10.1098/rspb.2014.0972

Tina Gunhold et al.: Video demonstrations seed alternative problem-solving techniques in wild common marmosets Biol Lett 2014 10: 20140439
doi: 10.1098/rsbl.2014.0439

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