Die Ozeane bedecken 71 Prozent der Oberfläche der Erde. Sie sind Heimat von unzähligen Tieren und vielen wertvollen und empfindlichen Ökosystemen. Doch wie in fast alle anderen Lebensräume haben sich die Menschen auch auf die Meere vorgewagt – und beuten diese teils gnadenlos aus. Neben der Verschmutzung und dem Lärm, der die Kommunikation etlicher Meeresbewohner stört, ist die Überfischung vieler Bestände ein riesiges Problem. Das Wegfangen einer Art und der Beifang durch Schleppnetze oder -Leinen können ein Ökosystem empfindlich treffen.
 
Die menschliche Aktivität in und auf den Weltmeeren ist hoch. Und dennoch: Sie verteilt sich über riesige Flächen unendlichen Blaus und ist dementsprechend schwierig zu überwachen. In den Küstengewässern gelten die Regeln des jeweiligen Landes, in der angrenzenden Ausschliesslichen Wirtschaftszone (AWZ), in denen der angrenzende Staat über die Ressourcen bestimmen kann, und in internationalen Gewässern gilt das internationale Seerecht. Auf hoher See kann kein Staat Hoheitsansprüche stellen, er darf aber die Schiffe kontrollieren, die unter seiner Flagge fahren. Dies geschieht allerdings aus praktischen Gründen selten.
 

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Daher segeln auch Hochsee-Fischerboote oft wortwörtlich unter dem Radar durch. Jedes Schiff ist zwar mit einem Automatischen Identifikationssystem (AIS) ausgestattet, das Daten über die Position an offizielle Stellen sendet. Die Anwendung des AIS beruht allerdings auf Freiwilligkeit.

Trotzdem können Schiffe nicht ganz ohne Radar auskommen. Denn sie müssen ja auch darauf achten, Kollisionen mit anderen Schiffen zu vermeiden. Diesen Umstand machte sich ein Forscherteam um Henri Weimerskirch vom französischen Nationalen Zentrum für Wissenschaftliche Forschung zu Nutze. Dies und die Tatsache, dass viele Seevögel von Fischerbooten nahezu magisch angezogen werden, weil sie sich den einen oder anderen Leckerbissen erhoffen. 

Sender für Albatrosse
Deshalb entwickelten Weimerskirch und Kollegen ein Programm, dem sie den Namen «Ocean Sentinel» (Meereswächter) gaben. In einem ersten, sechs Monate dauernden Test statteten sie auf den französischen Überseeinseln Crozet, Kerguelen und Amsterdam im südlichen Indischen Ozean statteten statteten die Forscher 169 Wander- und Amsterdam-Albatrosse mit Sendern aus, die einerseits GPS-Signale senden und andererseits Radarsignale empfangen können. 

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Albatrosse, so schreibt das Team Ende Januar im Fachmagazin «PNAS», eignen sich besonders gut als Wächter, weil sie enorm grosse Strecken zurücklegen und Fischerboote bis auf 30 Kilometer Entfernung aufspüren können. Gleichzeitig sind sie aber durch diese auch bedroht. Die Albatrosse verheddern sich oft in den hinter den Booten hergezogenen, mit Ködern ausgestatteten Leinen, und sterben qualvoll. Alle 22 Albatros-Arten werden von der Weltnaturschutzunion IUCN als mehr oder weniger stark gefährdet gelistet, drei sind vom Aussterben bedroht. Auch der Amsterdam-Albatros. Alleine schon deshalb seien bessere Informationen über den Verbleib von Fischerbooten und die Interaktion mit Seevögeln dringend nötig, heisst es in der Studie.

Die Projekt-Albatrosse halfen bei der Informationsbeschaffung dann auch tüchtig mit. Sie deckten über 20 Millionen Quadratkilometer Meeresfläche ab und empfingen über 5000 Radarsignale, die zu 353 Booten gehörten. Der Abgleich mit den offiziellen AIS-Daten ergab, dass 28,2 Prozent der Boote ihr AIS ausgeschaltet hatten. Das habe die Forscher überrascht, sagt Weimerskirch gegenüber dem «Smithsonian Magazine». «Niemand von uns hätte gedacht, dass diese Zahl so hoch sein würde.» In internationalen Gewässern stieg der Wert sogar auf 36,9 Prozent.

Das lässt den Schluss zu, dass die Aktivitäten vieler Fischerboote wohl illegal oder mindestens undurchsichtig sind. Ziel des Projektes ist es, ein Alarmsystem zu etablieren, dass bei Schiffen mit ausgeschaltetem AIS offizielle Stellen informiert, die dann entscheiden können, ob sie ein Marineschiff zur Kontrolle losschicken wollen. 

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Albatrosse helfen, sich selbst zu schützen
Dabei sei es aber auch wichtig, auf das Alter der Albatrosse zu achten. So verbrachten nicht-brütende Adulttiere und Subadulte mehr Zeit in internationalen Gewässern als brütende Altvögel und Jungtiere. Adulte Tiere näherten sich zudem öfters den Schiffen als Junge, die das Verhalten erst noch lernen müssen. Einige der Vögel seien wahrscheinlich den Schiffen zum Opfer gefallen, vermutet Weimerskirch im «Smithsonian Magazine». Es betont allerdings, dass die Sender, die so am Gefieder angebracht wurden, dass sie mit der Mauser wieder abfallen, keinen Einfluss auf die natürlichen Flugrouten haben. Auch die Möglichkeit, dass die Fischer auf den Schiffen gezielt Jagd auf die Albatrosse machen könnten, weil sie unentdeckt bleiben wollen, hält Weimerskirch für unwahrscheinlich. Denn die Seevögel beobachten aus hunderten von Metern Entfernung, womit sie vom Boot aus fast nicht zu sehen sind. 

Mit den Daten, die sie sammeln und den Einblicken in ihr Verhalten, die sie dabei geben, tragen Albatrosse zu ihrem eigenen Schutz bei. Die Methode liesse sie auch bei anderen Tieren anwenden, die oft als Beifang in den Netzen enden, schreiben die Forscher. Als Beispiele dafür nennen sie Meeresschildkröten oder Haie.