Das Leben von Zugvögeln ist gewissermassen mit dem Leben von Fischen zu vergleichen, die durch die Weltmeere ziehen, um Nahrung, Wärme und Partner zu finden. Doch anders als Fische können sich Vögel nicht einfach treiben lassen. Auch wenn sie noch so gute Gleiter sind, wenn sie nicht von Zeit zu Zeit mit den Flügeln schlagen, sinken sie langsam zu Boden. Deshalb vermutete die Wissenschaft bislang immer, dass Zugvögel ab und zu auf den Boden zurückkehren müssen, um Schlaf nachzuholen und ihren Energiehaushalt wieder aufzufüllen.

Dennoch haben Ornithologen seit Jahrzehnten behauptet, dass einige Segler fast ihr ganzes Leben in der Luft verbringen. Nur zum Brüten und zur Aufzucht der Jungen würden sie ihren Flug unterbrechen. Diese Vermutungen konnten jedoch bislang nie eindeutig bestätigt werden.

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© Vogelwarte Sempach

Vögel mit Chipsendern ausgerüstet
Ein Forscherteam um Felix Liechti von der Vogelwarte Sempach hat nun eine Studie mit Alpenseglern (Tachymarptis melba) durchgeführt und die Ergebnisse im Fachjournal «Nature Communications» veröffentlicht. Sechs Vögel, die in der Schweiz brüteten, wurden je mit einem kleinen Sender, einem «Data Logger», versehen, der mit einem Lichtsensor und einem Beschleunigungssensor ausgerüstet ist. Nach einem Winter, den die Tiere in Westafrika verbrachten, kehrten drei davon in ihre angestammten Brutstätten zurück, wo ihnen der Sender entnommen wurde und ausgewertet werden konnte.

Mithilfe des Lichtsensors konnte die jeweilige geografische Position der Alpensegler festgestellt werden und mithilfe des Beschleunigungs-Messgeräts ihre körperliche Aktivität. Die Resultate stimmten bei den drei Versuchsvögeln überein: Den ganzen Winter über haben die Segler nie aufgehört, mit ihren Flügeln zu schlagen.

Zwar nahm die körperliche Aktivität der Tiere je nach Tageszeit zu und ab (die höchste Aktivität konnte jeweils um Sonnenauf- und -untergang festgestellt werden), doch kann so gut wie ausgeschlossen werden, dass sich die Alpensegler während der ganzen Zeit einmal auf festem Grund zur Ruhe gesetzt hätten.

Alpensegler fliegen im Schlaf
Damit konnten die Forscher erstmals beweisen, dass sich Alpensegler während langer Zeit in der Luft bewegen, ernähren und ausruhen können. Für die Tiere scheine es nicht notwendig zu sein, physisch inaktiv zu sein, um ihre physiologischen Prozesse aufrechtzuerhalten, schreiben die Forscher in ihrer Studie. Die Ernährung von Vögeln in der Luft ist bereits ausführlich erforscht. Alpensegler ernähren sich hauptsächlich von sogenanntem «Aeroplankton», winzigen Tierchen, Sporen, Pollen oder Pflanzensamen, die durch die Luft treiben. Der Knackpunkt sei die Frage, wie sich die Vögel in der Luft ausruhen.

Die Resultate beweisen laut der Studie, dass Alpensegler während ihrem Flug schlafen und dass ihnen dieser Schlaf ohne spätere Defizite ausreicht. Nicht klar sei, ob sie dabei – wie etwa Delfine – nur eine Hirnhälfte «ausschalten» oder ob sie in einen kompletten Schlaf verfallen und ihren Flügelschlag «schlafwandlerisch» aufrechterhalten. 

In nachfolgenden Studien will die Vogelwarte die evolutionären Gründe für dieses aussergewöhnliche Verhalten der Alpensegler herausfinden.