Offenes Maul, fletschende Zähne, eine Haut aus Schuppen und Knochenplatten. So imposant und furchteinflössend präsentiert sich eines von Beat Scheffolds Meisterwerken: der Ticinosuchus ferox, ein fast drei Meter langer Landräuber, der vor 240 Millionen Jahren in der Lagune des Monte San Giorgio auf dem Gebiet des heutigen Kantons Tessin lebte und seit 2012 als lebensgrosses Modell im Eingangsbereich des Museo dei Fossili in Meride steht. «Dieser Saurier ist ein früher Verwandter der Krokodile und der Dinosaurier», erklärt Scheffold. «Deshalb habe ich mich bei der Gestaltung des Modells an den heutigen Reptilien orientiert, aber auch Fantasie walten lassen.»

Scheffold ist Teilzeit-Mitarbeiter am Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich und arbeitet daneben freischaffend für mehrere Museen als wissenschaftlicher Illustrator und Erbauer von Urzeittieren. Um Dinosauriern und Co. neues Leben einzuhauchen, braucht er anatomische und prähistorische Kenntnisse, kunsthandwerkliche und grafische Fähigkeiten. Als einer von wenigen in der Schweiz beherrscht er diese Kombination von Disziplinen. 

Seine Begeisterung für die Urzeit entdeckte Scheffold bereits in früher Kindheit. Anlässlich eines Besuches im Naturmuseum in Winterthur ZH erfuhr er, dass in seiner Umgebung Fossilien entdeckt worden waren. Wenig später konnte er bei Grabungsarbeiten mithelfen und mit zwölf Jahren traf er während seiner Schulferien in Gandria TI auf einen Fossilienhändler. «Da habe ich das erste Mal Fossilien gesehen und das hat bei mir eingeschlagen wie ein Blitz», erinnert er sich. 

Die Grundlage für Scheffolds Arbeit liefern zuweilen sensationelle Funde: 2006 etwa entdeckte Hobbypaläontologe Michael Fischer bei Grabungen in Frick AG das Skelett eines 2,5 Meter langen, fleischfressenden Raubsauriers, das aus der Trias-Zeit stammt, also vor mehr als 200 Millionen Jahren. Abklärungen ergaben, dass dieser Saurier bei seiner Jagd auf eine Echse in ein Sumpfgebiet geriet, aus dem es für ihn kein Entrinnen mehr gab. Doch wie könnte dieser Raubsaurier ausgesehen haben? Um das zu klären, beauftragte das Sauriermuseum Frick den Paläoartisten Beat Scheffold mit Abklärungen und mit dem Bau eines Modells.

Bevor der 61-Jährige ein Lebendmodell baut, stehen jedoch monatelange, akribische Recherchen an: Er liest sich in wissenschaftliche Abhandlungen ein, vergleicht Fossilien, Zeichnungen und Skelett-Rekonstruktionen von verwandten prähistorischen Tieren und bespricht seine Ergebnisse mit Paläontologen. So versetzt er sich immer mehr in die Lebenszeit des zukünftigen Exponats, das ja dann so realitätsgetreu wie möglich aussehen soll.

Sägen, schnitzen, schleifen
Im Falle des Ticinosuchus ferox halfen ihm zum Beispiel versteinerte Fussabdrücke, die zeigten, dass die Beine dieser Urechse unten am Körper standen und nicht seitlich, wie bei den heutigen Krokodilen. «Dieses detektivische Vorgehen dauert manchmal lange, ist aber spannend und macht auch den besonderen Reiz meiner Arbeit aus», sagt Scheffold. 

Danach ist handwerkliches Können gefragt: «Zuerst baue ich ein Gerüst aus Aluminium, das Körper, Kopf und Extremitäten des Tieres andeutet», sagt Scheffold, der bei diesem Arbeitsgang besonders auch auf die Materialien achtet. «Das Skelett darf nicht zu schwer werden, deshalb verwende ich dafür Bau-Schaum oder Bau-Isolationsplatten.» Daraus sägt, schnitzt und schleift er die groben Umrisse der Körperteile in die gewünschte Form, sodass die Proportionen, die Anatomie und die Form bereits stimmen. 

Diese «Bildhauerarbeit» gefällt Scheffold besonders, obwohl sie viel Staub verursacht. Er hat sich das Modellieren selbst beigebracht und es brachte ihm viele Aufträge ein. Denn als der Film «Jurassic Park» 1993 die Kinosäle eroberte und einen Riesenrummel um Urechsen auslöste, wollten auch Sauriermuseen davon profitieren und bestellten bei ihm Modelle von ausgestorbenen Reptilien.

Hautfärbung oft spekulativ 
Nach dem Modellieren folgen die Arbeiten an der Oberflächenstruktur und das Einsetzen der Augen und Zähne. Es sind für Scheffold entscheidende Arbeitsschritte, denn seine tierischen Kunstschöpfungen sollen ja möglichst authentisch und lebendig aussehen. Dazu überstreicht er die Oberfläche des Modells mit einer wasserfesten Modellierpaste, setzt Zähne und Augen ein und nimmt nun Farbe und Pinsel zur Hand. «Die Bemalung ist ein entscheidender Faktor für die Attraktivität eines Modells», sagt Scheffold. «Die Hautfärbung ist gleichzeitig aber auch eine der am wenigsten sicheren Angelegenheiten, denn viele gestalterische Möglichkeiten sind hier rein spekulativ.» 

Da ein Lebendvergleich mit einem Urtier nicht möglich ist, bedient sich Scheffold bei diesem letzten Schritt also auch seiner Fantasie. «Da ein grosses Reptil aber sicherlich nicht wie ein Zebra ausgesehen hat, sind auch hier Vergleiche mit heutigen Reptilien sinnvoll», sagt er, nur um gleich zu relativieren. «Aber wer weiss …?», meint der Urzeitkünstler und zwinkert mit den Augen.