Eine besonders spektakuläre Rettungsaktion beobachtete der Meeresbiologe Robert Pitman von der amerikanischen Ozeanografiebehörde NOAA im Jahr 2009 in der Antarktis. Eine Gruppe Orcas machte Jagd auf eine Weddellrobbe, die sich auf einer Eisscholle in Sicherheit bringen wollte. Die Schwertwale aber schwammen so nebeneinander, dass dabei Wellen entstanden. Die Eisscholle geriet ins Wanken und die Robbe fiel ins Wasser. Die unglückselige Robbe schien dem Tod geweiht. Da tauchten zwei Buckelwale auf, einer von ihnen schwamm auf dem Rücken. Eine Welle spülte die Weddellrobbe auf den Bauch des Buckelwals, worauf dieser sich etwas mehr aus dem Wasser hob, um das viel kleinere Tier zu beschützen. Als es herunterzufallen drohte, schob er es mit seiner Flosse vorsichtig wieder zurück. Die Robbe konnte sich später auf eine andere Eisscholle retten und kam mit dem Leben davon.

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Der Buckelwal bringt die Weddellrobbe auf seinem Bauch in Sicherheit.
  Bild: Robert Pitman/NOAA

Diesen Vorfall nahm der komplett verblüffte Pitman zum Anlass, 115 bekannte Interaktionen zwischen Buckelwalen und Orcas genauer zu studieren. Dabei kamen Pitman und sein Team zu einigen erstaunlichen Ergebnissen, die sie Ende Juli in der Fachzeitschrift «Marine Mammal Science» veröffentlichten. So gingen 57 Prozent oder 72 der Interaktionen von den Buckelwalen aus. In 89 Prozent von diesen durch Buckelwale gestarteten Interaktionen waren die Orcas gerade dabei zu jagen oder zu fressen. In 11 Prozent dieser Fälle wiederum handelte es sich bei der Beute der jagenden Orcas um Buckelwalkälber, in den restlichen 89 Prozent waren es Tiere von 10 verschiedenen Arten, darunter drei andere Walarten, sechs Robbenarten und Mondfische.

Buckelwale wollen Kälber schützen
Um die Orcas in die Flucht zu schlagen oder sie vom Töten ihrer Beute abzuhalten, schlugen die Buckelwale mit ihren Flossen und der Schwanzflosse, brüllten die Orcas an und verfolgten sie teilweise sogar. Da Buckelwale sehr viel grösser sind als Orcas, drohte ihnen dabei keine grosse Gefahr. Aber warum Energie verschwenden, um Tiere zu retten, die noch nicht einmal der eigenen Art angehören?

Die Forscher glauben, dass Buckelwale auf die Rufe jagender Orcas reagieren, auch wenn sie erst gar nicht wissen, wer von ihnen angegriffen wird. «Ich glaube, sie folgen einer einfachen Regel: ‹Wenn du Schwertwale jagen hörst, geh hin und zerschlage den Angriff›», sagt Robert Pitman zum Magazin «Science»

Dies, so vermuten die Forscher, weil ins Beuteschema der Orcas eben auch Buckelwal-Kälber gehören. Buckelwale suchen auf ihren ausgedehnten Wanderungen in den Weltmeeren oft die gleichen Futter- und Brutplätze auf, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es sich bei einem angegriffenen Kalb um einen Verwandten handelt. Als weitere Erklärung kommt für Pitmans Team reziproker Altruismus in Frage. Dabei helfen sich nichtverwandte Tiere einer Art gegenseitig, was die individuellen Überlebenschancen erhöht. Dass dabei auch andere Arten profitieren, sei wohl unbeabsichtigt, glauben die Wissenschaftler, der Schutz der Buckelwale für ihre Kälber schwappt quasi auf sie über. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Buckelwale immer noch mehr profitieren, als sie einbüssen, wenn sie auch andere Tiere beschützen.

In diesem Video von der BBC jagen Orcas ein Grauwal-Kalb. Buckelwale intervenieren, können das Jungtier aber leider nicht retten:

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