Eine Szene wie in einem Hemingway-Roman. Es ist kurz nach 18 Uhr, die Blaue Stunde. Eine achtköpfige Gruppe Europäer und Nordamerikaner steht mitten im Chobe-Nationalpark ganz im Norden Botswanas, schlürft Gin Tonic – der Drink soll ja die beste Malariaprophylaxe sein – und lauscht den Tönen der Wildnis. Es ist der perfekte Abschluss eines perfekten Tages, der im afrikanischen Busch zeitig beginnt.

Zwölf Stunden zuvor: Warm eingepackt, denn es ist bitterkalt in der morgendlichen Wildnis, startet die Gruppe im offenen Jeep den «Game Drive», wie sie Pirschfahrten hier nennen. Nach wenigen Minuten passieren wir das Tor zum Tierparadies. 1967, kurz nach der Unabhängigkeit Botswanas, gegründet, beherbergt der über 10 500 Quadratkilometer grosse Chobe-Nationalpark heute die grösste Elefantenpopulation Afrikas. Über 120 000 Dickhäuter streifen durch die dichten Flusswälder und über die offenen Grassavannen.

Der Chobe ist legendär für seinen Reichtum an Wildtieren. Hier leben neben den Elefanten auch Büffel, Löwe, Leopard und Nashorn und komplettieren damit die «Big Five» – ein alter Begriff aus der Grosswildjagd und heutiges Hauptziel der Safaritouristen. Die Gruppe ist einzig zum Fotosschiessen gekommen, möchte die «Grossen Fünf» aber selbstverständlich sehen. Doch auch die vielen «kleinen» Tiere wissen zu entzücken.

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Die Tiere bestimmen, wer sie sieht
Direkt hinter dem Tor steht das Empfangskomitee bereit. Eine Giraffe kaut genüsslich an Akazienblättern. Paviane sitzen am Wegesrand und lausen sich gegenseitig. Eine Herde Zebras rauscht vorbei, verschiedene Antilopenarten – Impalas, Kudus, Nyalas – im Schlepptau. Kem, der einheimische Guide, schenkt ihnen bei seiner Fahrt über die Sandwege kaum Beachtung, sondern peilt eine Löwin mit ihrem Nachwuchs an, die sich über eine Gazelle hermachen. «Alle sitzen bleiben», sagt Kem bestimmt, «dann ist es ungefährlich, denn die Tiere sehen den Jeep nur als ein undefinierbar grosses Etwas.» Es herrscht andächtige Stille. Zu hören sind nur das Knacken vom Durchbeissen der Knochen und das Klicken der Kameras.

Reisetipps
Idealer Ausgangspunkt für den Chobe-Nationalpark ist Kasane (Flug über Johannesburg). Von dort aus fliegen kleine Maschinen ins Okavango-Delta. Viele Camps haben eigene Landebahnen. Via Maun und Johannesburg geht es zurück in die Schweiz. Wer selber durch das Gebiet fahren will, braucht einen 4 x 4-Geländewagen.
Botswana setzt nicht auf Massentourismus, sondern kontingentiert die Besucher in den Parks. Die Camps und Lodges sind meist klein und legen Wert auf die persönliche Betreuung ihrer Gäste. Im Okavango-Delta schlafen die Touristen in luxuriösen Zelten (Glamping) und essen abends gemeinsam mit den Angestellten am Lagerfeuer.
Die beste Reisezeit ist von Mai bis Mitte Oktober. Dann tummeln sich die meisten Tiere an den gefüllten Wasserlöchern. Knecht Reisen zum Beispiel stellt massgeschneiderte Touren zusammen.
www.swissafrican.ch
www.knecht-reisen.ch

Die Grosskatzenfans der Gruppe kommen kurz darauf gleich noch einmal auf ihre Kosten. Zwei Geparde, laut Kem zwei jung­erwachsene Brüder, rollen sich vollgefressen auf dem gleichfarbigen Boden hin und her. «Und jetzt noch Leoparden bitte», fordert ein Spanier. Doch er wird enttäuscht, wie Kem es vorhergesagt hat: «Die Tiere alleine bestimmen, ob und wann sie sich zeigen.» Und so bekommt diese Gruppe während ihres Aufenthaltes in den fast unendlichen Weiten des Chobe-Parks weder Leoparden noch Nashörner zu sehen.

Dafür umso mehr Büffel und Elefanten. Es dauert Minuten, bis die Büffelherde vorbeigezogen ist. Die Kleinen bleiben direkt am Jeep stehen, recken ihre Nasen in die Luft und versuchen, den Geruch einzuordnen. Irritiert senken sie ihre Köpfe und zeigen ein paar Bockssprünge. Dann ein elefantöses Ablenkungsmanöver: Eine Elefantenfamilie hat eine Schneise durch die Büsche getrampelt. Nur wenige Meter entfernt spielen die Kleinen mit ihren Rüsselchen und kringeln sie zu Ringelschwänzen, derweil die Erwachsenen mit den Füssen den Boden erkunden. Faszinierend, dieses Elefantenballett.

Unruhe in der Elefantenherde
Später am Tag lässt die schiere Grösse der Herden immer wieder staunen. Hunderte dunkelbraune Hügel ragen aus dem beigegrünen Savannengras heraus. Kopf an Kopf grasen Dickhäuter und Büffel. Dann nähert sich eine Gruppe Elefanten. Kem fährt parallel zu den gemütlich trottenden Tieren. Plötzlich: Unruhe erfasst die Matriarchin. Sie wechselt in Laufschritt, die Elefantenkühe arrangieren sich so lange neu, bis alle Kleinen gut geschützt zwischen ihren Müttern und Tanten der untergehenden Sonne entgegenmarschieren – und die Gruppe das Erlebte bei einem Gin Tonic Revue passieren lässt.

Am nächsten Tag geht es ins Okavango-Delta, das grösste Binnendelta der Welt, das sich südlich des Chobe-Parks auf 20 000 Quadratkilometern auffächert, bevor das Wasser verdunstet oder im Boden versickert. Der kurze Flug bietet spektakuläre Blicke auf Elefantenherden, die Wasserlöcher queren, auf Büffel, Zebras und Antilopen. Doch die Tage im luxuriösen Zeltcamp stehen ganz im Zeichen der Flusspferde, etwa bei einer Fahrt zu zweit mit dem Einbaum-Boot Mokoro. Gemütlich gleitet dieses dahin, dann stoppt der Guide das Boot. Er hat Flusspferde entdeckt und muss abchecken, welche Laune sie haben.

Sie hätten die Hippos langsam an die Anwesenheit der Menschen gewöhnt, erklärt er. Dennoch bestimmen die so gemütlich wirkenden Flusspferde den Gang der Dinge. Denn sie sind für die meisten tödlichen Konfrontationen zwischen Mensch und Tier im südlichen Afrika verantwortlich. Wer an Land ihre Kreise stört, wird im Galopp niedergetrampelt. Auch wer sich per Boot nähert, ist nie vor ihrer Aggressivität sicher. Sie können ein Mokoro mit ihren Zähnen einfach durchbeissen. An diesem Tag sind sie friedlich.

Ab und an muss der Chef den Fremdlingen zeigen, wer das Sagen hat im Hippo-Pool. Laut dröhnend streckt er seinen imposanten Kopf aus dem Wasser, ehe er mürrischen Blickes wieder abtaucht und am Grund des Teichs entlangmarschiert. Glücklicherweise nie in unsere Richtung. Dies begiessen die Touristen am Abend mit ihren Guides – am Ufer sitzend und mit gebührendem Abstand zu den Flusspferden – mit einem Gin Tonic.

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