Dachse im Siedlungsraum, das hielt man bisher für ein Relikt der Ausdehnung von Städten: Die Dachse waren schon vorher da, als die Regionen noch ländlich waren, und blieben, während um sie herum die Siedlung wuchs. Deshalb traf man sie hauptsächlich am Stadtrand an. Allerdings zeigt eine neue Studie der Forschungsgemeinschaft SWILD, dass sich Dachse offenbar vermehrt in die Stadtzentren vorwagen.      

Die Forschenden um Fabio Bontadina von der Forschungsanstalt WSL haben Daten aus Fotofallen in Zürich und St. Gallen, Verzeichnisse schweizweit im Strassenverkehr verendeter Dachse sowie Beobachtungen in Zürich im Zuge eines Citizen-Science-Projekts von Stadtwildtiere.ch ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass der Bestand an Dachsen in der Schweiz offenbar insgesamt zunimmt und sich ihr Vorkommen vermehrt auch auf den Siedlungsraum ausdehnt.

Immer mehr Stadtdachse  
Die Anzahl verkehrstoter Dachse in der Schweiz hat sich demnach von 1992 bis 2015 mehr als verdoppelt, schreiben die Forschenden in einem Fachartikel im Fachblatt «Hystrix». Die Auswertung der Fotofallen zeigte, dass die Tiere in Zürich 2014 mehr als dreimal so oft vor der Linse auftauchten als noch 1997. In St. Gallen verdreifachte sich die Zahl zwischen 2008 und 2016.      

In den letzten zehn Jahren wurden zudem auch vermehrt Dachse im Zentrumsgebiet von Zürich direkt beobachtet. In den 1990er Jahren gab es der Studie zufolge nur im waldnahen Stadtrandgebiet Sichtungen.      

Demnach scheinen sich auch Dachse im urbanen Raum zu etablieren, ähnlich wie Füchse es schon vor ihnen taten. Letztere scheinen sich von einer Tollwut-Epidemie unter Wildtieren zwischen 1967 und 1996 deutlich schneller erholt zu haben und hatten dementsprechend einen Vorsprung bei der Eroberung der Städte. Grund für das verzögerte Nachrücken der Dachse könnten ihre längere Generationszeiten und weniger flexibles Verhalten sein, vermuten die Forschenden.

Schlechte Nachrichten für Igel  
Den Trend zu mehr Stadtdachsen werten die Wissenschaftler als zwiespältig: Einerseits sorgen Wildtiere in der Stadt bei Anwohnern womöglich für mehr Interesse an der Natur – eine wichtige Voraussetzung für Artenschutzbemühungen. Andererseits könnten sie mit ihrer Eigenschaft, sich Bauten zu graben, auch Schaden anrichten und Ärger auslösen. Zudem könnten die Tiere Krankheitserreger beherbergen.      

Für städtische Igel, die zu den Beutetieren der Dachse zählen, ist das erhöhte Stadtaufkommen an Dachsen ebenfalls keine gute Nachricht, so die Wissenschaftler. Zumal der beobachtete Trend – obgleich mit Fokus auf Zürich – vermutlich eine allgemeine und europaweite Entwicklung der Dachspopulation widerspiegelt.