Die Feldlerche trillert und jubiliert in ihrem begeisternden Gesang. Doch die goldenen Zeiten zum Jubeln sind vorbei. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war der finkengrosse und braun gestreifte Vogel in der Schweiz weit verbreitet. Nun gilt der typische Charaktervogel der offenen Kulturlandschaft als potenziell gefährdet: Aktuell wird der Bestand noch auf 25 000 bis 30 000 Paare geschätzt. Seit 1990 hat sich die Population halbiert. Im Mittelland ist die Dichte mittlerweile rund zehnmal tiefer als um 1990. Die Feldlerche ist ein Bodenbrüter – da fangen die Probleme an. Denn am liebsten nistet er in Grünflächen und in Äckern, doch diese Bereiche bieten schon lange keine optimalen Nistplätze mehr. Grund: die intensive Landwirtschaft und die zunehmende Zersiedelung der Landschaft. 

Die landwirtschaftliche Nutzfläche unseres Landes wird grösstenteils als Wiesen und Weiden bewirtschaftet. Sie machen 70 Prozent der Fläche aus. 26 Prozent sind Ackerflächen, wovon etwas mehr als die Hälfte für den Getreidebau verwendet wird. «In Fettwiesen, welche alle vier bis sechs Wochen gemäht werden, fallen praktisch alle Gelege und Jungvögel der Mahd zum Opfer und oft werden auch Altvögel getötet», erklärt Markus Jenny von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach.

Auch in den Getreidefeldern findet die Feldlerche keine guten Bedingungen mehr vor. Die Weizenfelder der konventionellen Landwirtschaft sind auf Ertragsoptimierung getrimmt: Die Weizenpflanzen stehen durch intensive Dünung sehr dicht nebeneinander. Die Feldlerche kann darin nur noch während einer kurzen Zeitperiode im April und Mai Nester bauen. Auch Maiskulturen würden eigentlich den Vögeln Nistplätze bieten: Doch im Intensivanbau wächst der Mais auf totgespritztem Boden – die Feldlerche findet hier keinen Schutz und Nahrung. «Wir wollen nun die Bedingungen für die Nistplätze der Feldlerchen verbessern», erklärt Markus Jenny.

Matthias Villiger von BirdLife Zürich im Gespräch mit «Tierwelt online» über den Rückgang der Feldlerche

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Nistbahnen für Lerchen freilassen
Ressourcenschonende Massnahmen im Ackerbau zur Förderung der Biodiversität: So heisst ein Projekt, das die Vogelwarte zusammen mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL seit 2018 betreibt. Die beiden Partner betreiben sozusagen Feldforschung: auf grossen Feldern der beiden Strafanstalten Bellechasse FR und Witzwil BE.

«Die Lerche hat es für ihre Brut gerne lückig, also nicht zu dicht. Aber auch nicht zu offen», erklärt Jenny. Diese Bedingungen werden nun auf den konventionell bewirtschafteten Weizenfeldern mittels Weitsaatmustern geschaffen. Die Bauern lassen auf einzelnen Winterweizenfeldern, die im September gesät und im darauffolgenden Juli geerntet werden, bewusst ungesäte Reihen frei. Diese Freiflächen dienen als Lande- und Nistbahnen für die Lerchen. Doch was bedeutet das für den Landwirt? Wenn er weniger Weizen pro Fläche anbaut, verliert er doch an Ertrag? «Eben nicht, das ist das Erstaunliche», sagt Jenny. Der Ertrag bei solchen Versuchsfeldern mit Weitsaatmuster und bei konventionellen dicht bepflanzten Feldern sei etwa gleich gross. Grund: Wenn die Pflanzen mehr Platz haben, entwickeln sich stärkere, gesündere Pflanzen und bilden grössere Körner aus.

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Bei den Maisfeldern gibt es mehr Probleme: Um die Brutbedingungen für Feldlerchen zu verbessern, muss der Boden mit einer Untersaat mit beispielsweise Kleearten früh begrünt werden. Die Begrünung unterdrückt das Unkraut: Man kann auf Herbizide verzichten. Dies fördert auch viele Insekten und Nützlinge. Je nach Witterungsverhältnissen kann die Begrünung den Mais aber konkurrenzieren und das kann zu erheblichen Ertragsverlusten führen. «Wenn diese Konkurrenz zu hoch ist, muss die Begrünung zumindest in den Reihen mit Herbiziden zerstört werden. Das mindert den Wert für die Biodiversität», sagt Markus Jenny.

Bei den Massnahmen Winterweizen mit Weitsaat und Mais mit Untersaat handelt es sich nicht um Biodiversitätsförderflächen. Denn die Kulturen werden nach wie vor intensiv bewirtschaftet. Biodiversitätsförderflächen dürfen nicht mit Pestiziden behandelt werden und auch Kunstdünger darf nicht eingesetzt werden. «Mit unseren Massnahmen wollen wir zeigen, dass Arten wie die Feldlerche, der Feldhase und Nützlinge auch in intensiv genutzten Produktionsflächen ohne Ertragsverluste gefördert werden können», erklärt Jenny.

Vorzeigeprojekt im SchaffhausischenDie grösste zusammenhängende Feldlerchenpopulation gibt es im schaffhausischen Klettgau, wo Getreideanbau weit verbreitet ist. «Seit 1991 werden in drei intensiv genutzten Ackerbaugebieten hochwertige Biodiversitätsförderflächen zur Förderung bedrohter Arten angelegt», heisst es auf der Internetseite der Vogelwarte. Ziel sei es, auf 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Buntbrachen, Rotationsbrachen, extensiv genutzte Wiesen, Ackersäume und Nieder­hecken zu schaffen und diese im Rahmen eines kantonalen Ver­netzungsprojekts miteinander zu vernetzen. «Zusätzlich werden im Klettgau seit 1994 zwei fast aus­gestorbene Getreidearten, der Emmer und das Einkorn, nach strengen ökologischen Kriterien wieder angebaut und erfolgreich vermarktet», schreibt die Vogelwarte weiter. Gemäss eines Evaluations­berichtes 2020 stärkte das Projekt die Feldhasenpopulation, die Vogelpopulation von Grauammer, Goldammer, Dorngrasmücke, Schwarzkehlchen und Turmfalken.

Auch gut für Wachteln und Spinnen 
Die Massnahmen, die seit 2017 im Feldversuch erprobt werden, können für die Feldlerche einiges bewirken. «Die Tendenz zeigt in die richtige Richtung», sagt Jenny. «Die Zwischenresultate stützen unsere Hypothese, dass Feldlerchen lückige Reihen zur Nestanlage bevorzugen und dass sie mit fortschreitender Brutsaison ihre Nester häufiger in den weit gesäten Bereichen anlegen als erwartet.» Allerdings habe das Wetter vor allem 2020 nicht mitgespielt: Die Brutbedingungen waren ungünstig. Normalerweise ist die Brutzeit im April bis Juni. «Die Feldlerche ist ein Vogel, der auch in anderen Kulturen wie Zuckerrüben, Kartoffeln oder Gemüse brütet. Dort sind aber Verluste durch Raub gross », erklärt Jenny. Die Datenlage sei derzeit noch dünn, deshalb werden auch dieses Jahr nochmals Nester gesucht. Die aktuellen Zahlen von 2019 zeigen: In den rund 100 Hektaren umfassenden Weizen- und Maisfläche in Belle­chasse und Witzwil fanden die Forscher 15 Feldlerchennester.

Die Weitsaat hat neben den Feldlerchen auch noch andere Bodenbrüter angelockt: So auch Schafstelzen und Wachteln. Auch der Feldhase profitiert von den verbesserten Bedingungen. «Wir finden auch mehr Nützlinge wie Laufkäfer und Spinnen in diesen Feldern», sagt Sina Blösch, Doktorandin an der HAFL, die das Projekt mitbetreut. Auch sei der Schädling Getreidehähnchen, deren Larven Blätter abschaben und so für Ertragsverluste sorgen, weniger häufig entdeckt worden. Das zeige, dass hier mehr Nützlinge aktiv waren und Schädlinge auf natürliche Art regulieren. «Die ersten Erkenntnisse bestätigen, dass Weitsaaten im intensiv angebauten Weizen und Mais mit Untersaat auch grossflächig umgesetzt werden können. Das wollen wir den Bauern aufzeigen», sagt Markus Jenny.