Nein, Thermometerhühner halten gar nichts davon, ihre Eier selbst auszubrüten. Die nötige Brutwärme zu erzeugen, das überlassen die rund 50 Zentimeter grossen Vögel, die in den halbtrockenen Eukalyptus-Buschgebieten im Südwesten und Süden Australiens zu Hause sind, lieber der Sonne und chemischen Gärungsprozessen. Das heisst aber nicht, dass die Hühner auf der faulen Haut liegen. Vor allem nicht die Männchen. Deren Aufgabe ist es, in monatelanger, mühevollster Kleinarbeit einen Bruthügel aus Reisig, Blättern und Rinde zu errichten. Die Bauarbeiten beginnen bereits dann, wenn auf der Südhalbkugel Winter herrscht. 

Der gefiederte Baumeister gräbt zunächst einmal mit Krallen und Schnabel eine rund drei Meter breite und etwa einen Meter tiefe Grube aus. Dann sucht er in der näheren Umgebung Blätter und Zweige, und füllt die Vertiefung damit auf. Sobald dann der in diesem Teil Australiens nur äusserst spärliche ausfallende Winterregen einsetzt und für genügend Feuchtigkeit in der Grube sorgt, beginnt der Hahn das jetzt feuchte Laub unermüdlich mit grossen Mengen Sand zu bedecken. 

Die Bauarbeiten dauern insgesamt rund vier Monate an, bis dann letztlich ein bis zu 1,5 Meter hoher und bis zu 4,5 Meter breiter Bruthügel entstanden ist. Eine wirklich schweisstreibende Plackerei, die für einen so kleinen Vogel eine äusserst beeindruckende Leistung darstellt. Während der Arbeit vertreibt der Hahn rigoros jeden potenziellen Störenfried – selbst Thermometer-Hennen. Im australischen Frühjahr jedoch, wenn der Bruthügel fertiggestellt ist, lädt er das Weibchen, das bereits ungeduldig in der Nähe des Bruthügels wartet, zur Eiablage ein. 

Ein Thermometerküken schlüpft aus dem Bruthügel

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Die Henne legt sechs Kilo Eier
Die Henne legt in etwa wöchentlichem Abstand insgesamt etwa 20 bis 30 wahrhaft gigantische Eier, die bei einem Gewicht von 200 Gramm – das ist etwa drei Mal so schwer wie ein Hühnerei – fast ein Zehntel des Körpergewichts des gesamten Huhns auf die Waage bringen. Eine nahezu unglaubliche körperliche Fähigkeit: Denn die Eiproduktion des Thermometerhuhnweibchens macht somit insgesamt bis zum Dreifachen des eigenen Körpergewichts aus. Die Eier werden einzeln in vom Hahn zuvor gegrabene Löcher gelegt, die der Thermometerhuhnmann unmittelbar nach der Eiablage mit Laub und Sand bedeckt. Das ist ein Vorgang, der oft mehrere Stunden dauern kann.

Aber auch nach der erfolgreichen Eiablage durch das Weibchen bleibt die Arbeit am Bruthügel für den Thermometerhahn ein Fulltimejob. Schliesslich ist es jetzt von grösster Wichtigkeit, mittels eines geschickten Baumanagements die Temperatur im Bruthügel konstant auf 33 Grad zu halten. Diese Temperatur ist nämlich für den Brutvorgang ideal. 

Abdecken, zudecken, abdecken
Die Temperaturkontrolle ist kein einfaches Unterfangen, wenn man bedenkt, dass der Hahn dafür nicht nur die Verrottungs- und Gärungsvorgänge im Hügel, sondern auch das Wetter in der Umgebung im Auge haben muss. Damit diese idealen 33 Grad im Bruthügel auch stetig gewährleistet sind, prüft der Hahn monatelang Tag und Nacht die Temperatur mit einem speziellen Thermosinnesorgan im Schnabelbereich an unterschiedlichen Stellen im Bruthaufen. 

Das Thermometerhuhn misst die Temperatur

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Je nach Bedarf reguliert er die Bruttemperatur, indem er entweder Abdeckmaterial hinzufügt oder entfernt. Im Frühjahr, wenn die Gärungsprozesse am heftigsten sind, muss der fleissige Baumeister zum Beispiel ständig kleine Löcher in die Sanddecke graben, damit die überschüssige Gärungswärme entweichen kann. Nur so kann eine Überhitzung der Eier verhindert werden. Im australischen Sommer dagegen, wenn das Thermometer auf bis zu 46 Grad klettert, muss der Hahn das Gelege mit einer zusätzlichen Sandschicht vor allzu grosser Erwärmung schützen. Im Herbst, wenn die Temperaturen zurückgehen, hat der Hahn sogar eine raffinierte Doppelstrategie parat: Tagsüber flacht er den Haufen ab und belässt nur eine dünne Sandschicht über dem Hügel, damit die Sonne die Eier erwärmen kann. Sobald es Abend wird, überschüttet er dagegen das Gelege mit tagsüber aufgeheiztem Sand – eine Massnahme die vor der nächtlichen Kühle schützt.

In einem hochinteressanten Versuch konnte der australische Thermometerhuhnforscher Harry Frith bereits 1950 herausfinden, wie präzise dieser Wärmesensor im Schnabel des Thermometerhuhns arbeitet. Frith nutzte eine kurze Abwesenheit eines Hahns und baute heimlich eine an einen Generator angeschlossene Heizspirale nebst Wärmemessfühler in den Bruthügel ein, mit deren Hilfe er dann die im Bruthügel herrschende Temperatur nach Belieben manipulieren konnte. 

Doch egal ob der Wissenschaftler die Temperatur künstlich senkte oder erhöhte: Der Thermometerhahn versuchte stets sofort, durch geeignete «Baumassnahmen» die bevorzugten 33 Grad im Brutügel wiederherzustellen. Frith wies sogar nach, dass es sich beim Schnabelsensor des Hahns um ein Biothermometer der absoluten Extraklasse handelt: Der Hahn registrierte mit seinem körpereigenen Messinstrument Temperaturunterschiede von bloss einem halben Grad.

Ein Thermometerhuhn-Schützer über die Eigenheiten der Tiere (englisch)

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Verdiente Winterpause für Papa
Im März, nach rund 60 Tagen Brutzeit, schlüpfen dann die kleinen Thermometerhuhnküken. Und die haben gleich eine ganze Menge zu tun. Sie müssen sich nämlich erstmal durch die diversen Reisig-, Laub- und Sandschichten an die Oberfläche buddeln. Das ist für die Küken ein äusserst mühsamer Prozess, der oft mehrere Stunden dauern kann. Danach suchen die Thermometerhuhnkinder im nächsten Gebüsch Deckung, um sich gut geschützt von den Strapazen der Buddelei zu erholen.

Erstaunlicherweise kümmert sich der stolze Herr Papa, der sich ja zuvor monatelang fast rund um die Uhr um das Wohlergehen der Eier gesorgt hatte, ab sofort nicht mehr um die Küken. Wobei dies auch gar nicht vonnöten ist, denn die jungen Thermometerhühner sind bereits vom ersten Tag ihres Lebens an selbstständig.

Und erst jetzt, nachdem er nahezu zehn Monate am Bruthügel geschuftet und sicherlich mehrere Tonnen Material hin und her geschoben hat, gönnt sich der Hahn eine kurze, überaus verdiente Winterpause. Eine, die er bitter nötig hat – denn im nächsten April beginnt die Hügelplackerei wieder von vorne.