Der Hummer wird gerne als «König des Meeresbodens» bezeichnet. Mit einer Länge von bis zu 70 Zentimetern und einem Gewicht von bis etwa sechs Kilogramm gehört er denn auch zu den gewichtigsten Bodenbewohnern im Meer. Ein 1977 in Kanada gefangener Hummer ging ins Guinness Buch der Rekorde ein: Er wog mehr als 20 Kilogramm. Ob dieser Hummer im Kochtopf landete, ist unbekannt. Es dürfte schwer gewesen sein, einen passenden Topf zu finden, zudem wäre er wohl aufgrund seines hohen Alters ungeniess­bar gewesen. Denn um ein solches Gewicht zu erreichen, musste er einige Jahrzehnte gelebt haben. Es heisst, Hummer könnten bis zu hundert Jahre alt werden.

Abertausenden dieser Krebstiere ist ein langes Leben, das sie einzelgängerisch in den felsigen Bereichen von Küsten verbringen, nicht vergönnt. Sie landen als Delikatesse auf den Tellern von Gourmets. «Hummer zu essen verurteilen wir nicht grundsätzlich, da die Bestände nicht überfischt sind», sagt Susanne Hagen, Co-Geschäftsleiterin beim Verein fair-fish, der sich für tierschutzgerechte Fischnutzung engagiert. «Das Problem ist, dass die Tiere deswegen so viel erleiden müssen.» Weil bei manchen Feinschmeckern, besonders bei Köchen in der Spitzengastronomie, der Glaube vorherrscht, Hummer sei nur dann eine echte Delikatesse, wenn er lebend in die Pfanne kommt. Ein Irrglaube, wie auch der Stellungnahme von GastroSuisse zu entnehmen ist: «Lebend importierter Hummer ist nicht per se besser als tiefgekühlter. Unter Qualitäts- und Tierschutzaspekten sind eine Tötung direkt nach dem Fang und ein tiefgekühlter Transport oftmals die bessere Alternative.» 

Monatelang gefesselt und ohne Nahrung  
Gut 200 000 Kilogramm in die Schweiz importierte ganze Hummer – lebende und gekochte – verzeichnete 2014 die Eidgenössischen Zollverwaltung. Schätzungen gehen von rund 130 000 lebenden Tieren jährlich aus. Der grösste Anteil der importierten Hummer stammt aus Kanada und den USA. Hauptfangzeit ist der Sommer. Damit die Händler das ganze Jahr über genügend Hummer anbieten können, werden die Tiere nach dem Fang «gehältert». Das heisst, sie werden in mit Meerwasser gefüllten Behältern gelagert – die Tanks der Grosshändler haben ein Fassungsvermögen von bis zu 4000 Hummern. 

Die Tiere verbringen mit zusammengebundenen Scheren und ohne Nahrung teilweise mehrere Monate in solchen Tanks, bis sie in Kisten gestapelt die Reise zu ihrem Bestimmungsort antreten. «Das alles ist ein unglaublicher Stress für die Tiere», sagt Hagen. Und danach gehe das Leiden weiter: «Manche werden in Restaurants bis zu ihrem Gebrauch in Becken ohne Rückzugsmöglichkeiten gehältert, andere in Delikatessengeschäften auf Eis angeboten, was sie langsam umbringt.» 

Als höchst quälerisch bezeichnen Kritiker auch die bei Hummern gebräuchliche Tötungsmethode, sie ins kochende Wasser zu werfen. Bei manchen dauere es mehrere Minuten, bis sie wirklich tot sind. Und wie heute bekannt ist, nehmen auch Krustentiere Schmerzen wahr. Nicht nur fair-fish kämpft dafür, dass dieses Leid endlich gestoppt wird, auch die Vereinigung der Schweizer Kantonstierärzte (VSKT) will sich, wie sie auf Anfrage schreibt, dafür «stark machen», dass bei der 2016 geplanten Revision des Tierschutzgesetzes sowohl die «problematische Tötungsmethode» als auch «die Haltung von lebenden Hummern ausserhalb von Salzwasser» verboten wird. Die VSKT unterstützt damit den Vorschlag des Bundesrats, die Tiere so besser zu schützen. Denn ein generelles Importverbot für Lebendhummer, wie das die Baselbieter Nationalrätin Maya Graf von den Grünen in einer Motion forderte, ist laut Bundesrat mit den Freihandelsabkommen nicht vereinbar. 

Dem Detailhandel dürfte ein strengeres Gesetz keine Probleme bereiten: Eine Umfrage bei Migros, Coop, Globus und Manor ergab, dass lebende Hummer einzig bei Manor, aber «nur punktuell in wenigen Supermärkten» oder «auf direkte Kundenbestellung» verkauft werden. Coop betonte zudem, dass seine «ausschliesslich gekochten» Hummer direkt nach dem Fang mit Elektroschock getötet würden. Eine Methode, die auch fair-fish propagiert. «Wenn man Hummer essen möchte, dann solchen», sagt Co-Geschäftsleiterin Hagen. «Auf der sicheren Seite ist jedoch, wer ganz darauf verzichtet.»