Als Forscher Ende der 1990er-Jahre erstmals Delfine mit riesigen Häusern von Meeresschnecken im Maul zu Gesicht bekamen, trauten sie ihren Augen nicht. Sie vermuteten, dass die Grossen Tümmler (Tursiops truncatus) in der westaustralischen Shark Bay, Schneckenfleisch verzehren würden. Erst einige Jahre später zeigte eine Fotoserie, dass die Kalkschalen leer waren. Die Meeressäuger verwenden sie als Fangnetz für Fische.

«Die Delfine benutzen ihren Schnabel, um die Gehäuse an die Oberfläche zu bringen, und schütten dann das Essen in ihren Mund – wie die letzten Chips ganz unten in der Packung», erklärt die Konstanzer Verhaltensbiologin Sonja Wild, die eng mit Michael Krützen von der Universität Zürich zusammenarbeitet. 

Kürzlich hat Wild eine weitere Erkenntnis zur Shelling genannten Jagdmethode gewonnen. Eine ihrer Studien weist nach, dass nicht nur Mütter die Technik an ihre Kälber weitergeben, sondern auch Tümmler ausserhalb der Beziehung zwischen Mutter und Kalb diese Art der Nahrungssuche erlernen. Die Forscherin geht davon aus, dass diese Tiere ihre Artgenossen innerhalb ihrer sozialen Gruppe beim Shelling beobachtet und dann die Technik selbst übernommen haben. Man nennt dies horizontales soziales Lernen. Eine Fähigkeit, die bisher nur Menschenaffen zugeschrieben worden war.