Perfekt ein Liebeslied zu singen und dazu auch noch atemberaubend zu tanzen, dass hat bei uns Menschen bisher nur Michael Jackson so richtig hingekriegt. Im Tierreich hat der King of Pop jedoch einen ernstzunehmenden Konkurrenten: den Graurückenleierschwanz (Menura novaehollandiae). Das Männchen dieser Singvogelart verbindet  Balztanz und Gesang perfekt miteinander. Aber damit nicht genug: Der Leierschwanz ist auch noch der wohl beste und vielseitigste Geräuschimitator im ganzen Tierreich. Sozusagen ein Multifunktionskünstler.

Leierschwänze sind in Australien, genauer in Südaustralien und Tasmanien zu Hause. Dort leben sie ziemlich verborgen und scheu in den gemässigten und subtropischen Regenwäldern. Die Vögel scharren dort tagsüber auf Waldlichtungen nach Nahrung. Die Nacht verbringen sie gut geschützt auf hohen Bäumen. Der Graurückenleierschwanz, der etwa die Grösse einer Gans besitzt, aber deutlich schlanker ist, hat eine eher unscheinbare grau-braune Gefiederfarbe. Aber, und das ist das Aussergewöhnliche, das Männchen hat im Gegensatz zum Weibchen eine bunte, etwa 60 Zentimeter lange Schwanzschleppe. Sie erinnert in ihrer Form an die Leier, ein uraltes Zupfinstrument. Von ihr hat der Vogel denn auch seinen Namen.

Das Graurückenleierschwanz-Männchen tanzt ausschliesslich, um ein geneigtes Weibchen zu beeindrucken. Dabei werfen die Herren der Schöpfung rhythmisch ihre Schwanzfedern nach vorn über den Kopf und zeigen dabei eine äusserst komplexe Choreografie aus diversen Schritten und Sprüngen. Die Weibchen spazieren derweil von einem Männchen zum anderen und verfolgen die diversen Darbietungen mit prüfendem Blick.

Der berühmte BBC-Ausschnitt mit David Attenborough und dem Leierschwanz, der eine Kettensäge imitiert

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Passender Tanz zu jedem Lied
Das geradezu sensationelle am Balztanz des Leierschwanzes ist die Tatsache, dass er ganz einzigartig mit einem jeweils speziellen Gesang kombiniert ist. Das Männchen hat vier verschiedene Grundtypen an Gesängen und zu jedem Gesang hat es eigene, passende Tanzschritte mit eigenen Rhythmen. Das ist vergleichbar mit uns Menschen, die wir zu Johann Strauss Walzer tanzen und auf Tangomusik auch den passenden Tanz hinlegen. Auch beim Leierschwanz sind das oft komplizierte Schritte, die erst einmal geübt werden müssen. Und zwar nicht nur erst kurz vor der Brutsaison, sondern oft jahrelang und mit grossem Aufwand. Denn nur gute Tänzer haben Erfolg bei den Weibchen.

Im Prinzip hat das Männchen, das am besten singt und tanzt auch den grössten Erfolg bei den Weibchen. Allerdings hat die Wissenschaft noch nicht so richtig herausbekommen, was genau der beste Tanz ist und wie sich der beliebteste Gesang anhört. Leierschwanz-Weibchen haben da oft einen etwas anderen Geschmack als die Wissenschaftler, die die Balz beobachtet haben. Erschien denen ein Tanz besonders schön und harmonisch, bedeutete das noch lange nicht, dass die Weibchen auch dieser Ansicht waren. Die drehten sich nämlich oft einfach um und wandten sich dem nächsten Männchen zu. Harmonie liegt eben auch oft im Auge – und im Ohr – des Betrachters.

Leierschwanz in Aktion

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Die Motorsäge in der Voliere
Die Kombination aus Gesang und Tanz ist nicht alles, was den Graurückenleierschwanz auszeichnet: Er baut ausserdem noch jede Menge Imitationen von Geräuschen, die er in seiner Umgebung gehört hat, in seinen Gesang ein. In seinem Repertoire hat er dabei nicht nur den Gesang von rund 20 anderen Vogelarten. Er imitiert auch das Rascheln von Federn oder das Klappern von Schnäbeln.

Und er imitiert auch Geräusche, die nicht aus der Natur stammen. Wenn Leierschwänze nämlich in Gefangenschaft oder sonstwo in Zivilisationsnähe sind, machen sie auch gerne menschgemachte Geräusche nach, wie etwa Motorsägen, das Klicken einer Kamera, Lastwagenmotoren, Lokomotiven, Baustellenlärm oder sogar Autoalarmanlagen.

Warum ausgerechnet der Leierschwanz ein derart hervorrragender Imitator ist, konnte von der Wissenschaft bisher noch nicht eindeutig geklärt werden. Einige Forscher vermuten jedoch, dass diese Fähigkeit etwas mit dem Aufbau des sogenannten Syrinx zu tun hat. Dabei handelt es sich um das Lautbildungsorgan der Vögel, den sogenannten Stimmkopf oder unteren Kehlkopf. Singvögel haben normalerweise vier Syrinxmuskeln, die für die Stimmbildung verantwortlich sind. Der Graurückenleierschwanz besitzt jedoch nur drei dieser Muskeln.

Das klingt erst einmal nach einem Nachteil, schliesslich sollten vier Muskeln eigentlich für eine komplexere Stimmbildung sorgen als nur drei. Aber auch Papageien haben nur drei Syrinxmuskeln. Und die sind, wie man weiss, auch nicht gerade die schlechtesten Geräusch-Nachmacher. Ausserdem verfügen Leierschwänze über ein Top-Gehör und ein sehr gutes Gedächtnis – auch das ist eine wichtige Voraussetzung, um diese Vielzahl an Imitationen zu produzieren.