Frau Smolinsky, wie kam es zur Gründung des Sharkproject Switzerland?
2006 wollte Sharkproject aus Deutschland heraus in die Schweiz und nach Österreich expandieren. Wir waren damals eine kleine Gruppe von zwölf Hai-Interessierten, die dann im Jahr 2008 Sharkproject in der Schweiz gegründet haben.

Welche Ziele verfolgt Ihr Verein und was tun Sie, um diese zu erreichen?
Unser oberstes Ziel und unsere Vision sind weltweit intakte Haipopulationen. Wir haben mehrere Missionen. Mission 1 Protection: Wir initiieren und setzen Massnahmen um, die dem Schutz der Haie und ihrem Lebensraum dienen. Wir machen auf Missstände aufmerksam und versuchen, diese aus der Welt zu schaffen. Wir unterstützen viele wissenschaftliche Projekte weltweit, um beispielsweise Wanderwege und Verhalten zu erforschen oder neue Schutzgebiete zu etablieren. Mission 2 Cooperation: Wir fördern wissenschaftliche Untersuchungen, Projekte und Initiativen, die den Schutz der Haie und ihres Lebensraumes unterstützen: finanziell, organisatorisch und ideell. Unser International Cooperationteam arbeitet mit vielen internationalen NGOs eng zusammen, um bei entsprechenden Themen mehr Gewicht zu haben.

Wie gehen Sie dabei konkret vor?
Es wurden schon einige offene Briefe mit Forderungen gemeinsam unterzeichnet und an die entsprechenden Regierungen oder Verantwortlichen geschickt. Diese Briefe sind offen auf unserer Website zu lesen. Auch die verschiedenen Themen, die das Internationale Cooperationteam behandelt, zeigt auf, dass noch sehr viel zu tun ist und immer noch viele Missstände herrschen.

Um welche Themen handelt es sich?
Zum Beispiel unsere Stop-Finning-Kampagne, die dem Abschneiden von Flossen bei lebendigem Leib endlich ein Ende setzen will. Da es sich um eine EU-Bürgerinitiative handelt, können wir sie aber nur indirekt unterstützen.

Eine weitere Mission lautet: Education, also Ausbildung. Was beinhaltet diese?
Wir informieren die Öffentlichkeit, klären dabei über die Wichtigkeit von Haien in einem gesunden Lebensraum Meer auf und geben klare Handlungs- und Verhaltensempfehlungen. So ist uns die Aufklärung und Bildung der Bevölkerung sehr wichtig, um aufzuzeigen, dass der Hai eine wichtige Funktion im Ökosystem hat. Er ist nicht der «Menschenfresser», als der er früher oft bezeichnet wurde. Die Angst vor Haien ist unbegründet.

Video: Tausende Haie sammeln sich zum Jagen

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Welche Missstände gibt es noch?
Beispielsweise Haileberöle in Kosmetikprodukten. Auch darauf machen wir in einer Kampagne aufmerksam. Nur durch die Bildung und Aufklärung können Haie verstanden und geschützt werden. In diesem Bereich bieten wir auch Vorträge für Schulen, Vereine, Firmenanlässe oder für Betriebe und Gruppen an. Die Vorträge können nach Absprache mit unseren Referenten zeitlich und inhaltlich individuell gestaltet werden.

Worum geht es in diesen Vorträgen?
Zum Beispiel um die Biologie des Hais mit seinen faszinierenden sieben Sinnen; um das Verhalten beim Tauchen mit Haien; um die Missstände in den Weltmeeren und warum der Hai so wichtig im Ökosystem ist.

Warum ist er das?
Weil er seinen Lebensraum als Polizist der Meere in Schach hält und für ein ausgeglichenes Ökosystem sorgt.

Wie Sie bereits angesprochen haben, hat der Hai dennoch einen schlechten Ruf. Wie erklären Sie sich das?
Das Meer ist nicht unser Lebensort, und wir wissen noch so wenig darüber. Unwissenheit macht Angst. Viele sehen nur eine grosse Wasseroberfläche und beschäftigen sich nicht mit dem Thema Meer und ihren Bewohnern. Dann lebt da noch ein grosses Tier mit grossen Zähnen, das 1975 eine negative Berühmtheit durch den Film «Der Weisse Hai» erlangte und schon ist das rationale Denken dahin.

Hilfe für HaieJeder kann etwas tun, um Haien zu helfen. Zum Beispiel:

Verzicht auf Hai-Produkte oder Kosmetika mit Haileberöl. keinen «Seestör» oder «Kalbsfisch» konsumieren. Das sind andere Namen für den Heringshai. Auch keine «Schillerlocken» und keinen «Seeaal» essen, weil es sich dabei um das Fleisch vom Dornhai handelt. Vermittlung von Vorträgen an Schulen und Events, damit Organisationen wie Sharkproject Aufklärung betreiben können. Mitgliedschaft im Sharkproject für 50 Franken pro Jahr oder Spenden, Patenschaften und Sponsoring. 

Video: Der Fuchshai

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Nachweislich werden kaum Menschen Opfer von Haiangriffen, dafür sterben weltweit zwischen 63 und 273 Millionen Haie. Wie ist das möglich?
Es sind nicht einzelne Tiere, die gefischt werden, sondern die grossen Industrieschiffe, die mit grossen Schleppnetzen über den Grund fegen. Oder die Kutter mit den Longleinern, die gezielt auf Haifang gehen. Diese spezialisierten Schiffe behalten aber nicht den ganzen Hai auf dem Schiff, sondern schneiden ihnen die Flossen ab, das sogenannte Finning. Den nutzlosen Körper werfen sie über Bord, meist lebt der Hai dabei noch und erstickt elend am Grund. Der Flossenhandel ist ein kriminelles Geschäft, der Fischer selbst verdient einen Bruchteil von dem Verkauf auf dem Markt. Zudem werden Menschenrechte verletzt, was wir mehr und mehr am Aufdecken sind.

70 Haiarten gelten als gefährdet. Welche ist besonders bedroht?
Es sind lediglich ein paar wenige Haiarten geschützt und auf der CITES-Liste, also im Washingtoner Artenschutzübereinkommen aufgeführt. Einer der besonders bedrohten Haie ist der Makohai. Das ist unser grosses Thema, das wir aktuell angehen.

Helfen Zooaquarien bei der Arterhaltung?
Unsere Haltung zu Aquarien ist sehr differenziert. Wir unterscheiden in der Haltung, ob es Nachzucht oder Wildfänge sind, ob es fernab des Gewässergrundes lebende Haie sind oder ortsbezogene, bodenlebende Haie. Auch eine grosse Rolle spielt, ob die Aquarien kommerziell betrieben werden oder der Aufklärung dienen. Bei Landtieren würde diese Unterscheidung derjenigen von anerkannten Zoos gegenüber Freizeit- oder Vergnügungsparks entsprechen.

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Was fasziniert Sie persönlich an Haien?
Die Begegnungen mit Haien lösen bei mir immer wieder Glücksgefühle aus. Egal ob grosse oder kleine Haie. Diese Kraft, Musterungen der Haihaut, Eleganz und die sensible Ausstrahlung faszinieren mich immer wieder. Sie sind für mich mit ihren Sinnen, ihrer Biologie und ihrem Verhalten einzigartig. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Sandtigerhai Luft schluckt, um zu tarieren? Damit kann er im Wasser stehen. Die Luft lässt er übrigens wieder raus, indem er pupst. Wenn man sich mit diesen Tieren beschäftigt, lernt man sehr viel über sie und ihren Lebensraum, trotzdem ist der Hai noch wenig erforscht. Viele Fragen sind noch offen.

Welches ist Ihre Lieblingshaiart?
Für mich ist der Fuchshai einer meiner Favoriten. Er gleitet elegant durchs Wasser, kann aber schnell wie ein Pfeil sein. Mit seinen übergrossen, dunklen kreisrunden Augen, der spitzen kurzen Schnauze und dem kleinen Maul hat er einen unschuldigen Blick und sieht immer treuherzig aus. Beeindruckt hat mich der Fuchshai, als ich ihn jagen sah. Er schlägt mit seiner Schwanzflosse in den Fischschwarm und holt sich dann die benommenen Fische.

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Denise Smolinsky taucht seit 1999 ausschliesslich mit Haien. Sie ist seit 2006 ehrenamtlich bei Sharkproject tätig, Gründungsmitglied von Sharkproject Switzerland und Vorstandsmitglied. Sie ist seit 2018 für die Landesvertretung von Sharkproject Switzerland verantwortlich und Vorstandsmitglied bei Sharkproject International.