Deborah Millett ist vom Bienenvirus befallen. Spaziert sie durch ihren Garten, wandert ihr Blick hoch und runter, nach rechts und links, immer auf der Suche nach den kleinen Insekten. Erblickt sie eine Wildbiene, die sich an einer Blüte verköstigt, ruft sie ihren Namen, zeigt darauf, freut sich darüber. Sie will ihre Freude mit dem Besucher teilen. Und schafft es. Das Bienenvirus ist ansteckend. 

Vor dem Bienenhotel bleibt Millet stehen und zeigt auf ein paar Hinterteile, die aus hohlen Bambusstängeln ragen. Diese Nist­röhrchen sind teils daumendick, teils millimeterdünn. So gross ist die Vielfalt der Wildbienen. «Wenn wir an Bienen denken, meinen wir meist Honigbienen», sagt sie. Dabei sind die Honiglieferantinnen nur eine von mehr als 600 Bienenarten in der Schweiz. Nicht dazu gehört der dicke Brummer, der gerade ins Hotel einfliegt: «Eine Hornisse! So schön!», freut sich Millett und ist hin und weg über die Artenvielfalt in ihrem Garten. Auch wenn die Hornisse vermutlich gerade eine Biene als «Zmittag» für ihren Nachwuchs schnappt.

«Ich war schon immer Fan von allem, was kreucht und fleucht», sagt Millett. Doch sie war nicht immer die «Bienenfrau». Einst war sie, «als Zürcher Punkerin», wie sie betont, im Club der Rattenfreunde aktiv. Da war sie die «Rattenfrau». Später in anderen Tierschutz-Organisationen. Dann erfuhr sie mehr über die Wildbienen, war sofort begeistert und mit zunehmendem Wissen alarmiert über die Situation der Tiere. 

«50 Prozent der Wildbienen-Arten sind bedroht», sagt Millett. «Und ohne Bienen geht nichts mehr.» Obstbäume, Gemüseplantagen und Kräuterbeete sind angewiesen auf die Bestäuber. «Es pressiert», sagte sich die Marketing-Fachfrau, entwickelte die Website Wildbee.ch und gründete eine Facebook-Gruppe. Als Linksammlung, als Vermittlerin von Kontakten und Wissen versteht sich die Internetseite. «Facebook ist der Motor.» Und der lief bald auf Hochtouren, so sehr, dass Millett 2011 den Verein Wildbee gründete und seither präsidiert.

Das perfekte Haus für Wildbienen
Doch nur mit der Wissensvermittlung über das Internet geben sich die ehrenamtlich arbeitenden Vereinsmitglieder nicht zufrieden. «Das Leben findet draussen statt, in Echtzeit», sagt Millett. Deshalb hat sie mit ihrem Partner Ausschau nach einem wildbienenfreundlichen Zuhause gehalten. Wie auch Bienen auf der Suche nach passenden Nistplätzen wählerisch sind, musste für die beiden ebenfalls alles stimmen: grosser Umschwung, keine Bodenverschmutzung, ein angrenzendes Waldstück. Gefunden haben sie es letzten Winter in Leutwil AG, freier Blick auf den Hallwilersee inklusive.  

Hier richtet Millett gerade einen Schaugarten ein. Einen Bienenzoo quasi, wobei die Zootiere hier selber entscheiden können, ob sie zu Gast sein wollen oder nicht. Um sie möglichst zahl- und artenreich anzulocken, hat die Naturschützerin unterschiedliche Nistplätze eingerichtet. Jede Bienenart bevorzugt eine andere Umgebung und andere Pflanzen. «Ein Insektenhotel aufzustellen ist einfach», spricht Millett eines ihrer Hauptanliegen an, «doch das allein ist noch kein Wildbienenschutz.» Auch die richtige Nahrung müsse vorhanden sein. Ohne die ziehen keine Bienen ein.

Primär Schulklassen sind es, die Millett in ihrem Bienengarten ansprechen will. Mit Führungen will sie den Kindern die Bedeutung der Wildbestäuber näherbringen. Mit dem Preisgeld des «Tierwelt»-Förderpreises würde sie neue pädagogische Unterlagen erstellen. Das sei aufwendig und teuer. «Man kann nur schützen, was man kennt», sagt Deborah Millett und verrät das ambitionierte Ziel ihres Vereins: «Jedes Kind in der Schweiz soll wissen, dass es Wildbienen gibt.» Und wenn das eine oder andere gleich noch mit dem Bienenvirus angesteckt würde, hätte sie wohl auch nichts dagegen.