Letze Woche haben wir Ihnen die häufigsten Brutvögel der Schweiz vorgestellt, basierend auf den Zahlen aus dem neuen Brutvogelatlas der Schweizerischen Vogelwarte Sempach. Diese Zahlen zeigen aber nicht, wie sich die Bestände über die Jahre verändert haben – sie zeigen lediglich den  Zustand von 2013 bis 2016, den Jahren, in denen die Kartierungen durchgeführt wurden.

So zeigt beispielsweise die untenstehende Grafik, welche Arten am meisten Brutpaare eingebüsst beziehungsweise dazu gewonnen haben. Die Mönchsgrasmücke als grösste Gewinnerin hat ganz schön zugelegt. Die Gründe dafür seien nicht ganz klar, wie es im Atlas heisst. Einerseits haben sich wohl die Lebensbedingungen und den Überwinterungs- und Brutgebieten verbessert. Andererseits wagen die anpassungsfähigen Vögel auch immer öfter Überwinterungsversuche in Mitteleuropa oder fliegen nach England. Obwohl sie nicht gerade für ihr schönes Wetter bekannt sind, bieten die britischen Inseln dank dem Golfstrom milde Bedingungen. Durch kürzere Zugzeiten können sich die Mönchsgrasmücken im Frühling dann die besten Brutplätze sichern.  

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  Bild: Schweizerische Vogelwarte Sempach

 

Die meisten Arten, die zu den Gewinnern gehören, zählen auch zu den häufigsten Brutvögeln (unsere Auflistung finden Sie hier). Häufige Arten wurden also oft noch häufiger. Einst häufige Arten wurden aber auch seltener, wie die Verliererseite ersichtlich macht. Ausserdem zeigt sich anhand der Vögel, die verschwinden, wo die Probleme der heutigen Zeit liegen. So ist die Mehlschwalbe die grösste Verliererin. Sie hat die meisten Brutpaare verloren. Hauptverantwortlich ist wohl der moderne Städtebau. Die Mehlschwalbe ist auf die Toleranz der Menschen angewiesen, wenn Sie ihr Nest an Hausfassaden errichten will. Andererseits ist sie als Langstreckenzieherin besonders verletzlich. Ihnen macht der Klimawandel zu schaffen: Vögel, die südlich der Sahara überwintern, sind weniger flexibel, was ihre Ankunft im Brutgebiet betrifft. Wird es wegen dem Klimawandel früher Frühling, kommen Langstreckenzieher zu spät an, um sich Brutplätze und die beste Insektennahrung zu sichern. Der Grauschnäpper ist ein anderer solcher Vogel, der darunter leidet.

Kulturlandvögel verlieren
Zu den grossen Verlierern zählt auch der Baumpieper. Er steht exemplarisch für die Bodenbrüter des Kulturlands, die wegen der Industrialisierung der Landwirtschaft dort keinen Unterschlupf mehr finden. Der Baumpieper ist aus dem Mittelland praktisch verschwunden und hat sich ganz in die höheren Lagen zurückgezogen. Aber auch diese werden zunehmend intensiver bewirtschaftet – ein riesiges Problem für die Vögel. Den Ackerlandvögeln kann man mit Buntbrachen und Heckenlandschaften, sowie später gemähtern Extensivwiesen helfen.

Getan wird dies noch zu wenig. Die Entwicklung der Verbreitungsgebiete spricht denn auch eine deutliche Sprache: In der Top Ten der Verlierer finden sich gleich mehrere Vögel des Kulturlands darunter der Neuntöter und das Braunkehlchen. Am meisten Terrain einbüssen musste die Feldlerche. 

Die Vogelwarte hat 2013-2016 in 2318 1x1 km grossen Quadraten, die als Raster die Schweiter Karte überziehen, alle Vögel erhoben. Dieselben Quadrate wurden bereits 1993-1996 bearbeitet. Welche Vogelarten in diesen Quadraten seit den Neunzigerjahren am meisten neu aufgetaucht oder eben verschwunden sind, zeigt Ihnen unsere Bildergalerie. Im Gegensatz zum Diagramm mit den grössten Zu- und Abnahmen werden hier also nicht die Vogelarten aufgelistet, die am meisten Individuen gewonnen oder verloren haben, sondern solche die ihre kleinräumige Verbreitung am meisten geändert haben.

Brütet von der Feldlerche innerhalb eines Kilometerquadrates statt hundert nur noch ein Paar, entspricht dies einer grossen Bestandsabnahme, nicht aber einer Verbreitungsänderung – die Feldlerche kommt ja immer noch vor. «Die Verbreitungsänderung und die Bestandsänderungen hängen zusammen, verlaufen aber nicht linear», erklärt Samuel Wechsler, Co-Autor des Brutvogelatlas. «Eine Art kann massiv abnehmen, ohne dass sich das in einer Verbreitungsänderung manifestiert. Erst gegen Ende der Abnahme kommt es dann häufig auch zu deutlichen Änderungen in der Verbreitung.»

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Peter Knaus, Sylvain Antoniazza, Samuel Wechsler, Jérôme Guélat, Marc Kéry, Nicolas Strebel & Thomas Sattler: 
Schweizer Brutvogelatlas 2013–2016. Verbreitung und Bestandsentwicklung der Vögel in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein
1. Auflage 2018 
Gebunden, 648 Seiten 
Herausgeber: Schweizerische Vogelwarte Sempach, vogelwarte.ch
88 Franken 
ISBN: 978-3-85949-009-3