Der Frankfurter Naturfotograf Ingo Arndt reist seit 30 Jahren um die Welt, immer auf der Suche nach Fotoreportagen aus der Natur. Während der letzten drei Jahre war er siebenmal in Patagonien, um das Leben der Pumas zu dokumentieren. «Pumaland» ist die erste komplette Foto-reportage über wilde Pumas, die ohne Fotofallen und aus einer Hand festgehalten wurde.

Herr Arndt, wie nahe sind Sie den Pumas in Patagonien gekommen?
Normalerweise halte ich immer einen Sicherheitsabstand von mindestens 40 Metern ein. Es gab aber zwei Weibchen mit ihren Jungen, die ich immer wieder besucht habe. Die haben sich mit der Zeit an mich gewöhnt und begonnen, mir zu vertrauen und sich mir bis auf 15, 20 Meter zu nähern.

Ist es auch einmal brenzlig geworden?
Es gab schon die eine oder andere Situation. Eins der drei Jungen des Weibchens Colmillo war sehr neugierig und etwas aggressiv. Es war schon fast ausgewachsen und kam quasi im Jagdmodus auf mich zu. Da habe ich mich gross gemacht, das Stativ hochgenommen und laut und ruhig zu ihm gesprochen. Mithilfe der Fährtensucher liess sich der Puma dann auf Distanz halten. Aber von da an bin ich nicht mehr allein dorthin gegangen.

Sie waren also nicht allein auf Ihrer Suche nach Pumas.
Ich hatte in meinem Team zwei erfahrene und spezialisierte Fährtenleser. Über Pumas ist nicht so viel bekannt. Das meiste, was ich über sie weiss, habe ich selber beobachtet oder von ihnen gelernt. Ohne sie hätte ich nie so viele Pumas gefunden.

Wie funktioniert so eine Puma-Pirsch?
Die Fährtensucher und ich verteilen sich jeweils eine Stunde vor Sonnenaufgang über einen Bergrücken, auf dem sie die Tiere vermuten. Dann hoffen sie darauf, einen Puma zu finden, wenn er von der nächtlichen Jagd zurückkommt. Sobald ich weiss, wo das Tier ist, darf ich es nicht mehr aus den Augen verlieren, sonst finde ich es nicht so schnell wieder.

Wie sind Sie auf den Puma gekommen?
Ich habe vor 18 Jahren zum ersten Mal einen Puma mit zwei Jungtieren gesehen – für ein paar Sekunden. Das hat sich in meinen Gedanken verankert. Während meiner Arbeit an «GrasArt», einem Bildband über Grasgebiete rund um den Globus, darunter auch in Patagonien, sind mir erste Pumabilder gelungen. Mit denen konnte ich letztlich Sponsoren für eine grosse Expedition gewinnen.

Sie waren sieben Monate unterwegs. Kostet das viel?
Ja, mit einem normalen Fotografenbudget wäre das nicht machbar gewesen. Aber ich konnte «National Geographic» vom Projekt überzeugen. Und: Was bot sich in meiner Situation mehr an, als bei der Sportartikelfirma Puma nachzufragen? Die hatten zu der Zeit gerade Firmenjubiläum und konnten meine Bilder brauchen. Sie haben mir – als Naturfotografen – ein Leichtathleten-Sponsoring bezahlt.

Sie haben während Ihrer Aufenthalte Szenen eingefangen, die noch nie zuvor fotografiert wurden. Welches Bild fehlt Ihnen noch?
Überhaupt keins. Im Gegenteil: Ich habe viel mehr bekommen, als ich mir erhofft hatte. Ich konnte eine Paarung fotografieren, die Jagd auf ein Guanako und ich habe zwei Pumaweibchen bei der Jungenaufzucht begleitet. Was will man mehr?

Einer der Höhepunkte in «PumaLand» ist eine Bildstrecke von einem Dutzend Fotos, auf der ein Pumaweibchen ein Guanako jagt. Wie lange hat diese Szene gedauert?
Viereinhalb Sekunden.

Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Das waren eigentlich sogar zwei Angriffe von Pumaweibchen Sarmiento. Beim ersten Versuch verliert der Puma den Griff. Dann setzt er nach und beisst sich im Hals des Guanakos fest. Es war aber ein grosses und offensichtlich erfahrenes Männchen und liess sich als letzten Ausweg mit dem ganzen Körpergewicht auf den Puma fallen. Das hat ihm das Leben gerettet.

Colmillo. Sarmiento. Sie haben den Pumas Namen gegeben?
Die stammen nicht von mir, sondern von den Fährtenlesern. Die Namen werden unter ihnen und den Nationalpark-Rangern genutzt, um die einzelnen Tiere auseinanderzuhalten.

Wie geht es der Puma-Population in Patagonien?
Im Nationalpark Torres del Paine geht es den Pumas eigentlich sehr gut. Hier sind sie geschützt. Die Population ist so gesund, dass das ganze Gebiet besetzt ist. Das Problem ist, dass am Rand des Nationalparks eine Schaffarm neben der anderen steht. Dort laufen die Pumas Gefahr, von Schaffarmern abgeschossen zu werden. Einer hat mir erzählt, er habe in seinem Leben schon mehr als hundert Pumas abgeschossen.

Glauben Sie ihm das?
Ja, absolut.

Sie schreiben in Ihrem Buch, es gebe einen Puma-Tourismus in Patagonien. Dazu tragen Sie selber mit Ihrem Buch auch bei.
Dessen bin ich mir bewusst. Ein vernünftiger Ökotourismus wäre auch überhaupt kein Problem. Das Problem an Patagoniens Tourismus ist, dass es keine Regeln gibt.

Inwiefern?
Er findet nicht mehr in den Nationalparks statt, weil dort die Wege nicht verlassen werden dürfen. Auf privatem Land gilt das nicht, also gehen die Touristen dorthin. Die Landbesitzer interessiert überhaupt nicht, ob sie die Pumas stören, sie interessiert nur das Geld. 

Wie liesse sich diese Situation verbessern?
Wäre einigermassen geregelt, wie viele Touristen es jeden Tag maximal geben darf, wäre das Problem gelöst. Es sind aber übrigens nicht nur Touristen, die stören. Ich habe auch schon Filmcrews beobachtet, wie sie Pumas in Richtung Kamera gescheucht haben, um gute Aufnahmen zu bekommen.

 

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Ingo Arndt: PumaLand – Im wilden Patagonien
1. Auflage 2019 
Gebunden, 193 Seiten 
Verlag: Knesebeck, ca. 65 Franken 
ISBN: 978-3-95728-204-0