Unbewaffnet geht Hansruedi Weyrich nie auf eine Expedition in den hohen Norden Amerikas. Leuchtfackeln und ein Pfefferspray sind stets «auf Mann», wie er erzählt: «Vor allem Jungbären denken oft, sie müssten Präsenz markieren und sich wie Machos aufführen. Einmal ist einer direkt auf uns zugerannt. Wir mussten eine Leuchtfackel zünden, davor fürchtete er sich. Fünf Meter vor uns stoppte er und suchte das Weite. In diesem Moment hatte ich schon kurz etwas Angst.»

Doch diese Episode ist eine Ausnahme. «Bären sind grundsätzlich friedliche und gemütliche Tiere», sagt Weyrich. Schon früh war der gebürtige Zürcher vom Berner Wappentier begeistert. «Ich habe ihre Grösse und Stärke immer bewundert.»

Die Foto-Expeditionen müssen jeweils gründlich vorbereitet werden
1993 erfüllte er sich einen lang gehegten Traum. Er fuhr nach Alaska, in den Denali-Nationalpark. Dort fotografierte der Unternehmer zum ersten Mal einen wilden Bären. «Da war es um mich geschehen», sagt er. Damals ist er der Leidenschaft verfallen, das Leben dieser faszinierenden Tiere fotografisch zu dokumentieren. Weyrich reist seither alle zwei Jahre wieder nach Alaska für eine Foto-Expedition, meist für drei bis sechs Wochen.

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  Hansruedi Weyrich. Bild: zVg

In dieser Zeit hat er die mächtigen Landraubtiere – ausgewachsene Kodiak-Bären, eine Unterart der Braunbären, erreichen eine Gesamtlänge von drei Metern und eine Schulterhöhe von eineinhalb Metern – immer besser kennengelernt. «Nur wenn man ihr Verhalten gut studiert, kann man die Tiere einschätzen und weiss, wie weit man gehen darf», erzählt Weyrich. 

Zentral sei es, Respekt vor den Tieren zu haben und sich immer bewusst zu sein, dass man sich in ihrem Territorium aufhalte. «Wenn man in der Nähe der Bären ist, muss man möglichst ruhig und passiv bleiben. Sonst fühlen sie sich bedroht», sagt er und präzisiert: «Man darf nie vergessen, dass sie Wildtiere sind und sehr gefährlich werden können.»

Eine Expedition erfordert viel Zeit, ist nicht gerade billig und muss gut vorbereitet werden. «Das geht nicht so einfach wie bei einem Ferienlager», sagt er. Weyrich fliegt jeweils zuerst nach Anchorage, der grössten Stadt Alaskas. Dort deckt er sich mit Proviant ein. «Es kommt schon einiges Gepäck zusammen.» Vor allem die ganze Fotoausrüstung ist schwer. Wichtig ist es, möglichst viele Akkus für die Kamera dabei zu haben. «Pro Woche benötige ich etwa sieben Stück davon», sagt er. Und auch genügend Nahrung und gute Kleidung sind «obligatorisch». 

Weyrich ist kein Profi-Fotograf, hat aber schon viel Erfahrung gesammelt
Bei den Schuhen wendet er einen Trick an: «Ich kaufe jeweils alte, gebrauchte Wanderschuhe. Bei denen durchbohre ich die Sohlen, damit sie nicht mit Wasser volllaufen.» Denn oft seien sie in Wathosen in Bächen unterwegs. Auch beim Essen sind Regeln zu beachten. Dort spielt es eine grosse Rolle, dass es nicht stark riecht. «Bären reagieren stark auf Düfte und werden davon angelockt. Eine Speckschwarte aufzuhängen, wäre eine schlechte Idee», sagt Weyrich. 

Das Zelt ist sogar geschützt: Ein Elektrozaun wird zum Schutz vor neugierigen Tieren aufgestellt. Weyrich geht ausserdem nie alleine. Er wird immer von Kollegen begleitet. Beispielsweise vom bekannten Fotografen und Biologen David Bittner. Wenn alles gepackt ist, geht es mit einem Wasserflugzeug weiter in die unberührte Natur der Insel Kodiak. Und dann zu Fuss in die Wildnis, dort wo die Bären leben. Am einfachsten sei es, die Tiere in der Zeit der Lachszüge zu fotografieren, in den Monaten August und September. Denn dann stehen die Bären im Flussdelta, sind damit beschäftigt, die zahlreichen Fische zu fangen und daher leicht aufzuspüren. 

Beim Fotografieren schaut Weyrich darauf, möglichst aussergewöhnliche Momente und Szenen zu erwischen. «Da muss man manchmal lange warten. Es braucht auch Glück und man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Ein ungeduldiger Mensch sollte daher nicht unbedingt Naturfotograf werden», sagt er schmunzelnd. Bären zu fotografieren, brauche ausserdem viel Erfahrung. Davon hat Weyrich mittlerweile genug. Dennoch läuft auf der Suche nach dem perfekten Bären-Bild nicht immer alles nach Wunsch. «Ich habe schon oft gedacht, das wäre jetzt eine gross­artige Aufnahme. Und dann habe ich zu spät abgedrückt. Doch das gehört halt dazu.» 

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Weyrich hat aber dennoch bereits viele gute Bärenfotos «geschossen». Es sind mittlerweile über 30'000 Bilder. «Da habe ich gedacht: Warum nicht ein Buch daraus machen?», erzählt er. Gedacht, getan: Durch eine Empfehlung kam der Münchner Verlag BLV für ein Buchprojekt auf ihn zu. Anfang September erschien schliesslich das Werk «Kodiak-Bären: Ganz persönliche Begegnungen». Es ist das erste Buch von Weyrich. «Das macht mich schon etwas stolz», sagt er. Vor allem wenn man bedenkt, dass er keine professionelle Fotografie-Ausbildung genossen hat: Er ist ein Autodidakt. 

Auch im Beruf ist dem Unternehmer eine umweltschonende Produktion wichtig
«Fotografieren war aber für mich schon als Jugendlicher eine Lieblingsbeschäftigung», sagt Weyrich. Neben Bären hält er auch andere Wildtiere bildlich fest. Auch in der Schweiz: Dort konzentriert er sich auf das Fotografieren von Vögeln, vor allem von Bartgeiern. Er ist ausserdem Vizepräsident des Vereins «Naturfotografen Schweiz» und gibt Kurse für fortgeschrittene Fotografen. Der 49-Jährige hat aber seine Leidenschaft für Fotografie nicht zum Beruf gemacht. Er leitet das Bieler Unternehmen Ediprim AG, das Drucksachen herstellt. Auch dort ist dem Naturliebhaber etwas besonders wichtig: «Wir achten darauf, so umweltschonend wie möglich zu produzieren.»  

Seine Foto-Expeditionen erfordern seitens Arbeitgeber und Familie natürlich ein gewisses Verständnis. Daher teilt er sich die Geschäftsführung mit einer Partnerin. Diese Lösung sei optimal, sagt Weyrich. «So kann ich guten Gewissens für eine längere Zeit auf eine Foto-Expedition gehen und weiss, dass die Firma in guten Händen ist.» 

Er lebt mit seiner Frau und seiner zehnjährigen Tochter in Täuffelen am Bielersee. «Glücklicherweise gewähren mir meine Frau und meine Tochter diesen Freiraum, sonst wäre es nicht möglich. Er freue sich aber schon etwas auf seine Pensionierung, sagt Weyrich mit einem schelmischen Lächeln. «Dann habe ich noch mehr Zeit für mein liebstes Hobby.» 

www.weyrichfoto.ch