Ein langer, gebogener Schnabel und lange, dünne Beine: Damit ist der Sichler hervorragend ausgerüstet, um in Feuchtgebieten oder an Ufern von Gewässern nach Nahrung zu stochern. Genau dies tut er auch am Ostermontag in den Grèves du Lac, einer Riedwiese bei Estavayer-le-Lac FR am Neuenburgersee. Vom kalten und windigen Wetter lässt sich der Sichler ebenso wenig beirren wie von den Menschen auf dem nahen Parkplatz, von denen ihn die meisten nicht einmal bemerken.

Der Sichler ist die am weltweit weitesten verbreitete Ibisart. Er kommt auf allen Kontinenten vor, ausser der Antarktis. Am grössten ist sein Verbreitungsgebiet in Afrika, weshalb davon ausgegangen wird, dass er sich von dort auf natürliche Weise über die Welt ausbreitete. In Europa brütet der elegante Vogel in mediterranen Gefilden wie Spanien oder Südfrankreich.

Bis vor wenigen Jahren war er in der Schweiz nur sehr selten zu beobachten, wie Livio Rey, Biologe und Mediensprecher der Schweizerischen Vogelwarte Sempach erklärt. «Vor allem in den letzten zehn Jahren sind die Sichtungen häufiger geworden. Seit 2010 wird er jährlich und in hoher Zahl beobachtet.»

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Anstieg in Europa
Dies habe mit einem Anstieg der Population in Europa zu tun, insbesondere in Frankreich und in Spanien. Dieser Anstieg sei eine relativ neue Erscheinung, sagt Rey. «Noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm die Sichlerpopulation in Europa ab.»

In der Schweiz treten Sichler am häufigsten während der Zugzeiten im Frühling und im Herbst auf, wenn sie von ihren angestammten Routen abkommen. Wie Rey sagt, scheine es aber so, dass auch Winterbeobachtungen in den letzten Jahren häufiger geworden seien. «Möglicherweise kann der Sichler mit den steigenden Wintertemperaturen eher in Europa bleiben, da mehr Nahrung vorhanden ist.»

In Estavayer-le-Lac jedenfalls scheint es dem Sichler zu gefallen, denn auch am nächsten Tag ist er noch da. Und er wird bestimmt nicht der Letzte gewesen sein, der in den ausgedehnten Feuchtgebieten des Neuenburgersees ein Päuschen einlegen wird.