Kein anderer Ort in Neuseeland ist schottischer als Dunedin. Das Rugby-Team heisst «Highlanders», das Tourismusbüro bietet Haggis-Zeremonien an und mit dem Wettbewerb der Dudelsackbands jeweils im März steigt die Dichte der Kiltträger enorm. Siedler aus dem Norden Grossbritanniens haben die Stadt an der Südostküste der Südinsel gegründet und anglisierten den gälischen Namen Edinburghs, Dùn Èideann, zu Dunedin. Das «Edinburgh of the South», das dank des Goldrausches lange die reichste Stadt des Landes war, kokettiert charmant mit seinen schottischen Wurzeln.

Das heutige Renommee verdankt Dunedin aber in erster Linie der hochklassigen «University of Otago». Und findige Marketingspezialisten bewerben die fünftgrösste Stadt des Landes mit dem Slogan «The Wildlife Capital of New Zealand». Tatsächlich ist Dunedin der ideale Ausgangsort für den touristischen Anziehungspunkt Nummer eins: die Otago-Halbinsel mit ihrer wildromantischen Natur und einzigartigen Tierwelt. Nirgends kommt man den Königsalbatrossen und den seltenen Gelbaugenpinguinen so nahe wie hier.

Ungestört nisten
Die schmale, kurvenreiche Strasse führt hoch über der Nordküste der Halbinsel entlang und bietet immer wieder atemberaubende Ausblicke auf die Bucht von Dunedin. Gut 28 Kilometer sind es vom Stadtzentrum bis zum ersten Ziel: dem «Penguin Place» auf der McGrouther’s Farm. Howard McGrou­ther war damals Rinderzüchter und Schaffarmer, als er feststellte, dass immer weniger Gelbaugenpinguine auf der Halbinsel lebten. Er gab die Rinderzucht auf, reduzierte die Zahl der Schafe und startete 1985 ein Schutzprogramm für die Gelbaugenpinguine, die einzig in der Küstenregion rund um Dunedin und auf einigen neuseeländischen Inseln vorkommen.

Mit knapp 1800 Brutpaaren sind sie eine der seltensten Pinguinarten der Welt und gelten als stark gefährdet. «Eine rätselhafte Krankheit liess sie 1990 fast aussterben», erinnert sich ein Mitarbeiter des «Penguin Place». 2004 raffte eine andere Krankheit die Hälfte der Jungvögel dahin. Ein Problem seien auch die von den Europäern eingeführten Räuber wie Frettchen, Wiesel, Katzen und Hunde. Schaden anrichten können schliesslich neugierige Touristen, wenn sie den Tieren zu nahe kommen.

McGrouther und seine Mitstreiter haben dafür gesorgt, dass die Pinguine in der Bucht hinter dem Schutz von Hügeln und Zäunen an den Hängen ungestört nisten können. Dennoch bieten sie Pinguin-Fans unvergleichliche Erlebnisse mit den Tieren. Vom Besucherzentrum aus fahren die Gruppen von maximal zehn Personen zuerst mit dem Jeep den Hügel hinauf und gehen dann zu Fuss ins Reservat hinein. Dort marschieren sie in Einerkolonnen – Gegenverkehr ist praktisch unmöglich – durch ein weit verzweigtes, militärisch anmutendes Grabensystem. Nach wenigen Minuten ist der erste Aussichtspunkt erreicht, eine Art Gefechtsunterstand mit Guck­schlitzen. Der Guide deutet in die Graslandschaft. Wenige Meter entfernt stehen dreieckige Holz­unterkünfte, die für die Pinguine gebaut wurden.

Ein Leben zu zweit
Wie bestellt, richtet sich vor einem der Nester ein Vogel auf, reckt den blassrosa Schnabel in die Höhe und trompetet ohrenbetäubend laut und schrill in den neuseeländischen Himmel. Mühelos übertönt er das Rauschen des Meeres und den Wind. Unterdrücktes Kichern macht sich breit im Unterstand. «Die Maori nennen den Gelbaugenpinguin Hoiho», erklärt der Guide. Das bedeute «störend, nervend». Gemeint seien wohl diese Töne, die die Vögel ausstossen, wenn sie sich begrüs­sen. Und tatsächlich watschelt gerade der Partner oder die Partnerin heran.

Gelbaugenpinguine leben im Gegensatz zu anderen Pinguinarten nicht in Grosskolonien, sondern ihr ganzes Leben zu zweit. Jedes Paar hat im «Penguin Place» seinen eigenen Nistplatz erhalten, den es lautstark verteidigt, wie vom nächsten Guckloch aus zu hören ist. Dann geht es weiter durch das Gras hoch über den Klippen, vorbei an dösenden Seelöwen und mit Aussicht auf die Bucht und das Meer, aus dessen Wellen sich gerade ein Vogel geschickt an den Strand hat spülen lassen.

Gelbaugenpinguine gehen bei Tagesanbruch ins Wasser und kommen am späteren Nachmittag zurück, erklärt der Guide. Das Tier kommt den Besuchern so nahe, dass seine typische Zeichnung gut zu sehen ist: Der schwarze Frack, die weisse Körperunterseite, die rosa Füsse und der blassgelbe Streifen, der von Auge zu Auge führt. Wachsam aus seinen bernsteinfarbenen bis gelben Augen blickend geht der Vogel zu seinem Nistplatz.

Reiseinformationen
Das Eintrittsgeld von umgerechnet circa 37 Franken für die Führung des «Penguin Place» geht vollumfänglich ins Pinguinprojekt.

 

www.penguinplace.co.nz
www.albatross.org.nz

 

Einige Meter weiter ragt ein Schnäbelchen aus einem Holzhüttchen: Es ist ein Zwergpinguin, mit maximal 40 Zentimetern die kleinste Pinguinart und der Farbe seines Gefieders wegen in Neuseeland «blue penguin» genannt. Die blauen Pinguine seien gesellige Kerlchen und nicht sonderlich scheu, sagt der Guide. Dennoch gefalle ihnen das Spektakel auf Phillip Island in Australien wohl kaum. Dort strömen die Touristen in Massen zur Bucht, wo die Zwergpinguine in der Dämmerung von der Fischjagd zurückkommen, und feiern lautstarke Partys, wenn die Mini-Vögel Land betreten. Der «Penguin Place» auf Otago dagegen ist ein Ort voller Stille.

Majestätische Grossvögel
Lauter geht es drei Kilometer entfernt zu und her: Am nördlichsten Zipfels der Halbinsel, am «Taiaroa Head», befindet sich das «Royal Albatross Centre». Von kreischenden Möwen begleitet, lässt sich hier die weltweit einzige Festlandkolonie von Königsalbatrossen vortrefflich beobachten. Von blossem Auge ist zu sehen, wie die Riesenvögel mit einer Flügelspannweite von mehr als drei Metern hoch über den steilen Klippen kreisen. Dann plötzlich hat ein Vogel genug von der Fliegerei und stürzt zu den Klippen hinab, wo die hungrige Brut schon wartet. Er hat Fisch mitgebracht.

Abwechselnd von Mutter und Vater betreut, verbringen die kleinen Albatrosse ihr erstes Lebensjahr im Nest, sagt Ornithologe Bill, der einmal pro Jahr aus Auckland zur Albatrosbeobachtung anreist. Dann bleiben sie für einige Jahre auf dem Meer. Mit der Geschlechtsreife kehren sie für die Partnersuche zurück an Land, nicht selten an den «Taiaroa Head», und werben mit waghalsigen Flugmanövern um ihre Braut. Haben sie sich gefunden, bleiben sie meist ein ganzes Leben zusammen. Dies haben sie mit den Pinguinen gemeinsam.

Was von diesem Tage auf der Otago-Halbinsel bleibt: Der respekt- und würdevolle Umgang mit den Pinguinen und die stinkenden Hinterlassenschaften der Möwen auf den Outdoor-Jacken.

[EXT 1]