Von einem «Etappensieg im Wettlauf gegen die Zeit» ist zu lesen in der Medienmitteilung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, das zusammen mit etlichen andern Instituten und Regierungen an der aufwändigen Rettungsaktion mit dem Namen BioRescue beteiligt ist. Den beiden letzten Weibchen des Nördlichen Breitmaulnashorns hat ein internationales Team aus Forscherinnen und Tierärzten insgesamt zehn Eizellen entnommen – schon zum dritten Mal. Die 31-jährige Fatu und ihre 20-jährige Tochter Najin sind nicht nur die letzten Weibchen ihrer Art, sondern überhaupt die letzten.

2015 gab es noch vier Nördliche Breitmaulnashörner («Tierwelt online» berichtete). 2018 noch drei. Dann starb Sudan, das letzte Männchen, unter grossem Medienecho und Anteilnahme im Alter von 45 Jahren (auch wir haben berichtet). Nun sind noch Fatu und Najin übrig und auch sie sind nicht mehr die Jüngsten. Sie leben streng bewacht im Ol-Pejeta-Reservat in Kenia. Unter Narkose wurden ihnen die Eizellen entnommen – wegen der Covid-19-Pandemie einige Monate später als ursprünglich geplant. Künstlich besamt werden können sie nicht, da beide unter einer Dysfunktion der Gebärmutter leiden und nicht schwanger werden können.

[IMG 2]

Die nun gewonnenen Eizellen sollen mit dem Sperma bereits verstorbener Männchen befruchtet, die so gezeugten Embryonen dann von Südlichen-Breitmaulnashorn-Leihmüttern ausgetragen werden. Bislang gibt es deren drei, wie der Medienmitteilung zu entnehmen ist, die zur Zeit in flüssigem Stickstoff aufbewahrt werden. Die Kälber sollen wiederum, so der Plan, in Schutzgebieten im früheren Verbreitungsgebiet des Nördlichen Breitmaulnashorns in Ost- und Zentralafrika ausgesetzt werden. So weit wird es aber erst in 50 bis 70 Jahren sein, schätzen die Projektverantwortlichen, falls überhaupt je, denn bis jetzt ist noch nie ein durch künstliche Befruchtung gezeugtes Nashorn auf die Welt gekommen, wie es in einem FAQ-Blatt von BioRescue heisst.

Millionenteure Rettung
Schuld am der Misere des Nördlichen Breitmausnashorns ist einzig der Mensch mit seiner zerstörerischen Gier auf Nashorn-Horn. In den 1950er-Jahren gab es noch über 2000 Nördliche Breitmaulnashörner, wie dem untenstehenden BBC-Video zu entnehmen ist. Wer sich nun aber fragt, ob es gerechtfertigt ist, Millionen für die Rettung einer fast schon ausgestorbenen Unterart auszugeben, während eine Vielzahl anderer Tierarten jedes Jahr in aller Stille von diesem Planeten verschwindet, ist nicht alleine. Viele sähen es lieber, wenn dieses Geld in den Schutz heute noch einigermassen zahlreich vorhandenen Arten gesteckt würde, wenn der Lebensraum geschützt, Ranger ausgebildet und weitere Möglichkeiten für die lokale Bevölkerung geschaffen würden. So könnte diese profitieren und mit ihre eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten – statt nur eine einzelne.

Es gebe aber gute Gründe, weshalb es das Nördliche Breitmaulnashorn zu bewahren gelte, schreibt das Projektteam. Das Nördliche Breitmaulnashorn trage eine Reihe von Genen in sich, die einzigartig sind und ihm die besten Chancen für ein Überleben in der Wildnis verschaffen. So könnten mit dem Nördlichen Breitmaulnashorn wertvolle Gene zum Überstehen von Nashorn-Krankheiten in Ostafrika verloren gehen. Wird das Nördliche Breitmaulnashorn gerettet und wieder angesiedelt, stärke dies die Überlebenschancen des Breitmaulnashorns insgesamt. Die Nördliche Breitmaulnashorn spiele zudem als grosser Pflanzenfresser eine wichtige Rolle im Ökosystem. Es trägt dazu bei, dass die Savanne offen bleibt und nicht von Büschen überwuchert wird.

«Wir sehen BioRescue nicht nur als ein Vorhaben mit dem einzigen Ziel an, neue Nachkommen einer einzelnen Art zu schaffen, sondern vielmehr als einen ersten Meilenstein bei der Wiederherstellung stark gestörter Lebensräume in Zentralafrika», sagt denn auch Thomas Hildebrandt, Leiter des BioRescue-Teams und der Abteilung für Reproduktionsmanagement am Leibnitzer Institut gemäss der Mitteilung. «Die Wiedereinführung eines grossen Weidetieres in diese Lebensräume wird dazu beitragen, die natürliche Widerstandsfähigkeit dieser Ökosysteme wiederherzustellen.» Mit Blick auf die Corona-Krise könne dies auch das Risiko neuer Pandemien deutlich verringern.

BBC-Clip von 2019 zur ersten Entnahme von Eizellen

[IMG 3]