Manche mögen sie attraktiv finden, andere wohl eher nicht. Auffällig sind sie auf jeden Fall, die in Nordostafrika heimischen Geierperlhühner. Die Brust leuchtet kobaltblau, darüber lange, schwarz-weisse Schmückfedern. Der Rest des Gefieders ist wie bei allen Perlhühnern schwarz mit feinen weissen Punkten. Ihren Namen verdanken die Hühnervögel aber ihrem fast ganz nackten Kopf und Hals und dem kräftigen Schnabel, der tatsächlich sehr an einen Geier erinnert.

Und in diesem Kopf, so schreiben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie im deutschen Radolfszell am Bodensee in einer Medienmitteilung, steckt ein auch für Vögel relativ kleines Gehirn. Das hindert die Geierperlhühner aber nicht daran, komplexe, mehrschichtige Sozialstrukturen auszubilden. Ein Jahr lang beobachtete das Forscherteam um Doktorandin Danai Papageorgiou eine Population in Kenia mit über 400 erwachsenen Vögeln mit Sendern rund um die Uhr. Dabei entdeckten sie, dass die Population 18 verschiedene soziale Gruppe mit jeweils 13 bis 65 Vögeln umfasste. Diese Gruppen blieben stabil, obwohl sie sich sowohl tagsüber als auch in der Nacht mit anderen Gruppen überschnitten. Diese Überschneidungen wiederum folgten nicht dem Zufall. Die verschiedenen Gruppen schienen gezielt miteinander zu interagieren und zwar verstärkt zu bestimmten Zeitpunkten des Jahren an bestimmten Orten. Über diese Befunde berichteten die Forschenden diese Woche im Fachjournal «Current Biology».

Geierperlhühner behalten den Überblick
Bei solchen mehrschichtigen sozialen Gesellschaften mit stabilen Einheiten, müssen die einzelnen Tiere den Überblick über ihre eigene Gruppe und über die anderen Gruppen gleichermassen behalten. Die Wissenschaft glaubte deshalb bis jetzt, dass komplexe Sozialstrukturen nur bei Säugetieren vorkommen, die ein im Verhältnis zur Körpergrösse sehr grosses Gehirn haben und entsprechend intelligent sind. Zu ihnen zählen beispielsweise Schimpansen oder Delfine (lesen Sie hier mehr zu Delfin-Gesellschaften).

«Meines Wissens nach ist dies das erste Mal, dass eine solche soziale Struktur bei Vögeln beschrieben wurde», lässt sich nun Danai Papageorgiou in der Mitteilung zitieren. «Es ist schon bemerkenswert, Hunderte von Vögeln zu beobachten, die jeden Tag aus dem Schlafplatz kommen und sich perfekt in völlig stabile Gruppen aufteilen. Wie stellen sie das an? Das hat ganz offensichtlich nicht nur mit Intelligenz zu tun.»

Mit was es wirklich zu tun hat, haben Papageorgiou und ihre Kollegen noch nicht erforscht. Sie hoffen aber, dass die Geierperlhühner Aufschluss über die Evolution von komplexen Sozialstrukturen geben können und glauben, dass diese wohl im Tierreich weiterverbreitet sind, als man bisher dachte.