Sie haben es vielleicht gelesen: Tiere, die nach einem Verkehrsunfall getötet werden, sollen im Kanton Bern künftig auf dem Teller landen. Wohlgemerkt, NACH einem Verkehrsunfall, nicht DURCH einen Verkehrsunfall. Mit anderen Worten: Es geht um das Reh, welches sich beim Zusammenprall mit einem Kleinwagen eine Oberschenkelfraktur zugezogen hat und danach erschossen wurde. Sein Artgenosse hingegen, der sein Leben auf der Kühlerhaube eines Offroaders liess, soll nach wie vor kremiert werden. Und dies, obwohl das Fleisch des Letzeren – unabhängig vom Treibstoff des unfallverursachenden Fahrzeugs – schrot- und damit bleifrei ist

Und darin liegt das Problem des Postulats, das der Berner Grosse Rat angenommen hat. Statt sich mit Vollgas für eine konsequente Verwertung der Opfer des Strassenverkehrs einzusetzen, steuern die Grossräte mit angezogener Handbremse auf eine kulinarische Verarbeitung einiger weniger notgeschlachteter Rehe hin. Unter diesen Umständen ist nachvollziehbar, dass sich die Berner Regierung gegen eine neue Regelung stellt: Der Aufwand, die betroffenen Tiere innert kurzer Zeit dem Kühlraum zuzuführen und einzeln auf ihre Verwertbarkeit zu prüfen, sei zu gross.

Doch richten wir den Blick einmal in Richtung USA, dem Land der unbegrenzten Freiheit, die sich auch in der Denkweise und im Hubraum der Autos ausdrückt. 1'232'000 Hirsche starben dort 2012 auf der Strasse. Wenn wir dies mit der Bevölkerungszahl abzüglich Vegetarier und Veganer verrechnen, ergibt dies immerhin einen Hirsch auf 250 Personen. Hinzu kommen Elche, Bären, Wapiti, Kaninchen, Streifenhörnchen, Stinktiere und und und – die Liste liesse sich fortsetzen, bis jeder Bürger sein Gericht auf dem Tisch hat. Kein Wunder ist Road kill cuisine, wie das Phänomen im englischen Sprachraum genannt wird, zu einem richtiggehenden Trend geworden.

In der Schweiz werden jedes Jahr 20'000 Wildtierunfälle gemeldet. Wir müssen aber von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, insbesondere bei kleineren Tieren, die nichtsdestotrotz bei Gourmets hohe Popularität geniessen können – in der Romandie etwa ist in dieser Jahreszeit ein nicht unerhebliches Potenzial an Unfallopfer-Froschschenkeln auszumachen. Die Zahlen sollten ausreichen, um die Gesetzgeber zum Handeln zu bewegen.

Eine neue gesetzliche Regelung wäre insbesondere aus ökologischer Sicht begrüssenswert. Denn während die Produktion von Fleisch grundsätzlich weit mehr Ressourcen verbraucht als pflanzliche Nahrung, darf dieser Aspekt beim Fleisch von Verkehrsopfern vernachlässigt werden – Wildtiere werden nicht speziell aufgezogen und verbrauchen damit auch keine zusätzlichen Ressourcen. Mit anderen Worten: Wer verunfallte Wildtiere statt gezüchteter Nutztiere isst, tut etwas gegen den Klimawandel.

Sollte sich die Berner Regierung durchringen, ihre Gesetze dahingehend zu ändern, ist also Umdenken angesagt. Denn dann wird der Offroaderfahrer indirekt zum Klimaschützer.