Finstere Mächte und Eulen passen gut zusammen. Zumindest, wenn man den Mythen rund um den Globus glaubt. Ob es an den grossen Augen, der nächtlichen Lebensweise oder der Fähigkeit liegt, den Kopf um bis zu 270 Grad zu drehen? Auf jeden Fall haftet der Eule teilweise bis heute der zweifelhafte Ruf an, Vorbote des Todes oder eines Unglücks zu sein. 

Bereits im antiken Griechenland wertete man den Ruf der Eule als schlechtes Omen. Im Alten Testament findet die Eule Erwähnung als Bewohnerin des zerstörten Babylons. Auch in den Werken des englischen Dramatikers und Dichters William Shakespeare kommen Eulen immer wieder vor. Meist wenig schmeichelhaft. So schreibt er beispielsweise im ersten Teil von «King Henry VI» vom «ahnungsvollen, grausen Todesvogel». Und im berühmten «Sommernachtstraum» wünscht sich Shakespeare: «Ihr endlich sollt den Kauz, der nächtlich kreischt und über unsre schmucken Geister staunt, von uns verscheuchen!»

Des Teufels Grossmutter 
Die Kindermärchen der Brüder Grimm zeichnen kein besseres Bild. In ihnen verkörpert die Eule oft ein Ungeheuer, vor dem sich die Menschen fürchten und das sie mit allen Mitteln bekämpfen. Im Mittelalter haftete den Eulen ebenfalls Dämonisches an. Sie galten als Hexenvögel mit Zauberkräften, und sogar des Teufels Grossmutter soll sich in eine Eule verwandelt haben. Selbst aktueller «Stoff» stellt die nachtaktiven Vögel in eine düstere Ecke. In der Serie «Gotham» etwa droht ein mächtiger Geheimbund: «Gib Acht, der Rat der Eulen hat dich im Blick. Er blickt dir tief ins Herz, lässt dich in deinem Bettchen zittern und beben.»

Es gibt aber auch positive Eigenschaften wie Weisheit und Reichtum, mit denen Eulen besetzt sind. Der Steinkauz zum Beispiel war für die alten Griechen heiliger Begleiter von Athene, der Göttin der Weisheit. Das kommt auch im wissenschaftlichen Namen Athene noctua («Athene-Nachteule») zum Ausdruck. Die silbernen Tetradrachmen-Münzen wurden zudem bis zur römischen Kaiserzeit mit einer Eule geprägt, woraus der Spruch «Eulen nach Athen tragen» entstand. Auf der Rückseite der griechischen 1-Euro-Münze ist übrigens bis heute ein Kauz abgebildet. 

Verkünderin von Geburten
Weniger greifbar ist dagegen die Bedeutung der Eule in manchen westlichen Kulturen. Dort spielt sie eine Rolle in der Traumdeutung. Erscheint eine Eule im Traum, wird sie als Überbringerin von Botschaften aus dem Unterbewusstsein oder von Verstorbenen interpretiert. Sie steht für ein höheres Bewusstsein. In der Esoterik ist sie ein Krafttier. Und in einigen Kinderbüchern und Zeichentrickfilmen strahlen Eulen – ausgestattet mit einer Brille und einem Buch unter dem Flügel – Klugheit aus. 

Auch die Rufe von Eulen stehen nicht überall für Unglück. Im Gegenteil: In der Region Bern etwa glaubte man, dass diese eine Geburt ankündigen. Sollte dies tatsächlich zutreffen und sich der Nachwuchs später einmal für die populären Harry-Potter-Romane von J. K. Rowling interessieren, trifft er auf die Schnee-Eule Hedwig, einen treuen Botenvogel und guten Freund des beliebten Zauberers. Gute Mächte und Eulen passen eben auch gut zusammen.

Literaturtipp:
Mike Unwin, David Tipling: «Eulen», Theiss Verlag, ISBN: 978-3-8062-3583-8, ca. Fr. 74.–