Die Auffangstation auf Costa Rica ist schuld. Ihre Mitarbeiter fingen damit an, Videos von herzigen Babyfaultieren zu posten, die ihre Mutter verloren hatten oder von dieser zurückgelassen wurden. Und weil Mama nicht da ist, rufen sie herzergreifend süss nach ihr. Und damit noch nicht genug: Babyfaultiere wollen sich im Fell ihrer Mutter festkrallen – ein natürlicher Reflex. Aber die Mutter ist ja bekanntlich nicht da. Deshalb geben ihnen die Helferinnen und Helfer der Station etwas Anderes, woran sie sich festhalten können: Stofftiere. Ein Faultierchen, das lustige Geräusche macht und dabei mit seinem Stofftier kuschelt: Es gibt wohl kaum jemanden, dessen Herz bei diesem Anblick nicht schmilzt.    

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Sloth Squeak! from Lucy Cooke on Vimeo.

Das Internet eroberten die Faultiere jedenfalls im Sturm. Und nicht nur die Kleinen begeistern, sondern auch die grossen. Allen voran das millionenfach geklickte Sunshine-Reggae-Faultier in Endlosschleife (das Video ist heute leider nicht mehr verfügbar).  

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Höchste Zeit also, diese merkwürdigen Tiere einmal genauer anzuschauen. Was ist überhaupt ein Faultier? Faultiere gehören zur Ordnung der Zahnarmen Säugetiere, zu denen auch die Ameisenbären gehören. Entfernter verwandt sind diese mit den Gürteltieren. Es gibt heute sechs verschiedene Faultierarten, die zu den Gattungen der Dreifinger- und der Zweifingerfaultiere gehören. Wobei die Zweifingerfaultiere trotzdem drei Zehen haben. Sie leben in Mittel- und Südamerika.

In vorgeschichtlichen Zeiten waren sie gigantisch gross, wogen mehrere Tonnen und waren Bodenbewohner. Heute sind sie durchschnittlich fünf Kilogramm schwer und hängen fast ausschliesslich in den Wipfeln von Regenwaldbäumen, wo sie genüsslich Blätter fressen. Dabei halten sie sich nicht immer mit allen vier Extremitäten fest, sondern hängen auch eine beachtliche Zeit mit dem Kopf nach unten. So haben sie de Arme frei, um an den am weitesten entfernten Zweiglein die besonders zarten Blätter zu ergattern. Damit die inneren Organe nicht auf die Lunge drücken und den Faultieren in dieser Position das Atmen erschweren, «kleben» sie sie mit einem speziellen Gewebe an der Hüfte und an den Rippen fest, wie eine Faultierforscherin im Jahr 2014 herausfand. 

Leben in langsam
Faultiere sind langsam. Sehr langsam sogar. Ihre Muskeln bewegen sich langsam, ihr Stoffwechsel läuft langsam – es kann bis zu sechs Tage dauern, bis ihre Blätternahrung im Magen verdaut ist. Dreifingerfaultiere fahren ihren Stoffwechsel sogar noch mehr herunter, wenn es ihnen zu heiss oder zu kalt wird, so dass sie sich, ähnlich Reptilien, gar nicht mehr bewegen. Das schreibt dieselbe Forscherin in einer Studie von September 2018. Die Langsamkeit ist eine Anpassung der Faultiere an ihre Ernährungsweise: Blätter sind extrem energiearm. Dafür sind sie immer in grossen Mengen vorhanden. 

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Einmal in der Woche müssen die Faultiere von ihren Bäumen herunterkommen – und zwar um ihren Darm zu entleeren. Dabei stellen sie sich aufrecht hin, halten sich am Baumstamm fest und bewegen dabei leicht die Hüften. Im Internet ist dies als «Poo Dance» bekannt. Bis zu einem Drittel ihres Körpergewichts können sie bei diesem Vorgang verlieren. Warum sie ihr Geschäft allerdings am Boden erledigen und dabei ihr riskieren, gefressen zu werden, anstatt einfach in den Bäumen zu bleiben, ist unbekannt.  

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Während der Fell der Faultiere ein ganzes Ökosystem mit allerlei Algen und Insekten bildet, sind Faultiere an sich Einzelgänger. Sie treffen sich nur zur Paarung, wobei das Weibchen dem Männchen mit einem Schrei zu verstehen gibt, dass es bereit ist. Das Männchen setzt dann alle Hebel in Bewegung, um seine Braut zu finden. Es kann sogar längere Distanzen im Wasser überwinden, wenn es sein muss. Dies tut es sogar überraschend elegant. Wie der berühmte britische Naturfilmer David Attenborough in einem Dokumentarfilm erklärt, bewegen sich Faultiere unter Wasser dreimal schneller als an Land und können auf Grund ihrer Fähigkeit, den Stoffwechsel zu verlangsamen, den Atem bis zu 40 Minuten lang anhalten.

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