Die Axt im Haus erspart den Zimmermann, lautet ein geflügeltes Wort. Es gibt allerdings Zimmermänner, über deren Besuch in der Wohnung man sich eigentlich stets freuen sollte: über die Opiliones, in Deutschland und Österreich landläufig auch Weberknechte genannt. Obwohl sie am liebsten in den obersten Bodenschichten im Freien leben, verirren sich die Tiere immer wieder einmal in die Wohnräume, wo sie sich bevorzugt in Ecken oder hinter Vorhängen niederlassen. Genauso gerne werden sie von den Bewohnern mit dem Staubsauger von dort entfernt.

Zu Unrecht, wie ein Blick auf die filigranen Krabbler zeigt, die für den Menschen absolut ungefährlich sind und in der Natur eine wichtige Rolle spielen: Sie gelten als Müllabfuhr, weil sie sich von toten Insekten und abgestorbenen Pflanzenteilen ernähren. Ihre Nahrung ertasten und ergreifen sie mit kleinen Kieferklauen, Cheliceren genannt – die übrigens zu schwach sind, um die menschliche Haut zu durchdringen. Diese Organe tragen sekundäre Geschlechtsmerkmale wie Drüsen für Sekretaustritte, die bei der Balz eine Rolle spielen.

Achtung: Verwechslungsgefahr!
Wegen ihrer langen dünnen Beine werden Zimmermänner gerne mit den ebenfalls langbeinigen Zitterspinnen verwechselt. Zimmermänner sind allerdings keine Webspinnen, sondern gehören lediglich zur Klasse der Spinnentiere und darin wiederum zur Ordnung der Weberknechte, in der Fachsprache Opiliones genannt.

Der Unterschied, der sie von den Spinnen abhebt, wird deutlich, sobald man ihren Körper genauer betrachtet. Er ist nicht zweigeteilt, wie etwa für Zitterspinnen üblich. Ein Blick aufs Verhalten bringt eine weitere grosse Abweichung ans Tageslicht: Zimmermänner bauen keine Netze. Sie haben keine Spinndrüsen und können daher keine Seide produzieren.

Video über Weberknechte, zu denen die Zimmermänner gehören

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Stattdessen besitzen sie auf ihren Rücken Drüsen, die ihnen bei der Verteidigung helfen. Werden die Spinnentiere angegriffen, versprühen sie eine stinkende Substanz, die im Extremfall tödlich auf andere Insekten oder Spinnen wirkt. Aufgrund der geringen Körpergrösse der Zimmermänner ist diese Substanz für den Menschen indes kaum wahrnehmbar.

Bei Gefahr: Gliedmassen abwerfen!
Anders sieht es bei den langen Beinen aus, dank denen man sie schnell erkennt. Wer schon einmal versucht hat, einen Zimmermann einzufangen, etwa mit einem Glas, dürfte die Erfahrung gemacht haben, dass schnell einmal Gliedmassen abbrechen.

Was auf den ersten Blick erschreckend wirken mag, gehört ebenfalls zu den raffinierten Abwehrmechanismen der Tiere: Viele Zimmermänner besitzen an ihren Beinen eine sogenannte Sollbruchstelle. Werden sie von Fressfeinden an einer ihrer Extremitäten gepackt, werfen sie einfach ein Bein ab, um ihnen zu entkommen. Draussen in der Natur, wo sich die Zimmermänner am liebsten aufhalten, ist das eine überlebenswichtige Strategie.  

Die Ordnung der Opiliones umfasst weltweit rund 4000 Arten. Etwas ist ihnen gemeinsam: Hat ein Männchen ein Weibchen befruchtet, legt das Weibchen die Eier in kleine Spalten und Löcher ab. Danach überlässt es den Nachwuchs allerdings in der Regel sich selbst.  

Über etwas kann die grosse Artenvielfalt allerdings nicht hinwegtäuschen: Dass der Lebensraum der Spinnentiere immer knapper wird. Verantwortlich dafür sind die Intensivierung der Forst- und Landwirtschaft, die weltweit zu einem Verlust von Biotopen, Hecken und einer Abnahme von Totholz führt. Auch nehmen Qualität und Quantität der Streuschicht in Wiesen und Wäldern ab. Dadurch verringert sich auch die Anzahl der Tiere stetig.

Umso mehr klingen die Worte der «Washington Post» nach, die bereits vor rund drei Jahren schrieb: «Töten Sie die Spinnentiere nicht. Es ist okay, sie in seinem Zuhause zu haben. Es ist sogar vollkommen normal.»