Der Riffbarsch Stegastes diencaeus mag Algen. Algen sind seine Hauptnahrungsquelle und deshalb ist er besorgt, immer genug Algen zu haben. Aus diesem Grund ist er territorial und bewacht sein Algenfeld, auf dem er diese quasi kultiviert. In diesem Algenfeld in einem Korallenriff vor Belize herum schwimmen aber auch winzige Garnelen der Art Mysidium integrum. Der Riffbarsch könnte sie eigentlich auffressen, aber er tut es nicht. Es sind nämlich «seine» Garnelen. Er hält sie sich quasi als Haus- oder Nutztiere. Denn wenn man einem internationalen Forschungsteam unter australischer Leitung glaubt, haben die Riffbarsche die Garnelen domestiziert.

Die kleinen Garnelen, so schreiben die Forschenden in ihrer im Fachjournal «Nature Communications» veröffentlichten Studie, futtern den Fischen ihre Algen nicht weg. Sie filtrieren sich ihre Nahrung aus dem Wasser. Verdauen sie diese, entlassen sie Nährstoffe ins Wasser, die als Dünger für die Algen fungieren. Grund genug für die Riffbarsche, ihre Garnelen zu bewachen und vor dem Gefressenwerden zu beschützen. Die gedüngten Algen geben den Riffbarschen nämlich einen Energieschub. Sie seien ihren Artgenossen ohne Garnelen körperlich überlegen, wie das Team schreibt.

Spezialfall der Symbiose
Bei diesen zwei Arten, die zusammenarbeiten und sich gegenseitig nützen, handle es sich um einen Fall von Domestizierung, heisst es in der Studie. Und bei der Domestizierung wiederum handle es sich um einen Spezialfall der Symbiose, wie Studienerstautor Rohan Brooker von der australischen Deakin-Universität gegenüber «Tierwelt online» erklärt. «Bei der Domestizierung stellt die eine Art Langzeitbetreuung über mehrere Generationen zur Verfügung und erhält dafür von einer anderen Art eine vorhersagbare Ressource oder einen vorhersagbaren Service.»

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Es gebe aber unterschiedliche Auffassungen darüber, wie man Domestizierung definiere. Man habe deshalb versucht, eine Definition zu finden, die Domestizierung mit und ohne menschliche Einflüsse aus einer ökologischen Perspektive beschreibt.

Sowohl die Garnelen als auch die Riffbarsche zeigen gemäss den Studienautoren Verhaltensweisen, die für eine Domestizierung in diesem Sinne sprechen. Die Garnelen seien immer nur mit einem bestimmten Algenfeld assoziiert und regierten auf den dazugehördenden Riffbarsch positiv, auf andere Arten oder Riffbarsche aber negativ oder neutral. Die Riffbarsche dagegen verhalten sich aggressiv gegenüber Eindringlingen in ihr Territorium, die sich von kleinen Wirbellosen ernähren, gegenüber den Garnelen jedoch nicht. Es ist für die Fische jedoch mit grösserem Aufwand verbunden, ständig auch noch Räuber abzuwehren, als einfach nur die Algenfarm zu verteidigen. «Das legt nahe, dass die Fische aktiv die Präsenz der Garnelen ermöglichen», schreiben die Forschenden in der Studie.

Domestikationserscheinungen zu erwarten
Auffällig bei den meisten domestizierten Tieren ist jedoch, dass sie sich nicht nur im Verhalten sondern auch äusserlich sehr stark von ihren wilden Vorfahren unterscheiden. «Menschen können auf bestimmte Merkmale hin züchten und somit den Prozess beschleuningen», sagt Brooker.

Gewisse Domestikationserscheinungen können aber auch quasi «automatisch» auftreten und sind eigentlich nur ein Nebeneffekt. Ein solches Beispiel ist die Fellfarbe von Katzen, bei der gewisse Varianten ohne aktives Zutun des Menschen auftraten. Das geschah vermutlich aufgrund von niedrigeren Konzentrationen von Stresshormonen, welche die Exprimierungen bestimmter Gene veränderten. «Wer weiss, vielleicht zeigen in ein paar Tausend Jahren auch die Garnelen solche Merkmale», sagt Brooker. «Beide, die Fische und die Garnelen, haben ja jetzt schon Verhaltensweisen entwickelt, die ausser zum Aufrechterhalten ihrer Beziehung nichts nützen. Es sieht also so aus, als wäre hier etwas im Gange.»