Forschende der Universität Zürich berichten, dass die Viren, die sie bei Fledermäsen entdeckten, zumindest in Laborversuchen Zellen von Menschen und Nutztieren infizieren konnten.

Fledermäuse tragen einige hochgefährliche Viren: Erst kürzlich wiesen Forscher das Ebolavirus in einem der Fledertiere in Westafrika nach. Das Virus forderte während der Epidemie in Westafrika in den Jahren 2014 und 2015 rund 11'000 Todesopfer. In den Fledermäusen können die Viren offenbar überleben und sich vermehren – die Tiere sind ein Reservoir für die Erreger.

Gleiches scheint für neuartige Influenzaviren zu gelten, die vor rund sechs Jahren in Fledermäusen in Südamerika entdeckt wurden. Bisher war jedoch unklar, ob diese Viren auch Menschen und Nutztiere infizieren könnten.

Neuartiger Infektionsweg  
Um die Gefahr für den Menschen abschätzen zu können, haben Forschende um Silke Stertz von der Universität Zürich mit Kollegen der Universität Freiburg (Deutschland) den Infektionsweg der Viren entschlüsselt. Wie sie im Fachblatt «Nature» berichten, nutzen diese Fledermaus-Influenzaviren eine völlig andere Eintrittspforte in Zellen als die bisher bekannten Vertreter dieser Virusfamilie.

Die Fledermaus-Influenzaviren nutzen demnach sogenannte MHC-II-Moleküle für den Zelleintritt, wie die Forschenden im Fachblatt «Nature» berichten. Diese Protein-Komplexe kommen auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen vor und spielen eine wichtige Rolle für die Immunantwort. Sie werden allerdings auch von anderen Virusarten als Eintrittspforte missbraucht, wie die Universität Zürich am Donnerstag in einer Mitteilung schrieb.

Im Labor konnten die Fledermaus-Influenzaviren die MHC-II-Komplexe von Menschen, Mäusen, Hühnern, Schweinen und verschiedenen Fledermausarten für den Zelleintritt nutzen, wie Studienautor Umut Karakus gemäss der Mitteilung erklärte. Zumindest auf der Stufe des Zelleintritts haben diese Viren demnach das Potenzial, Menschen und Nutztiere zu infizieren. In Versuchen mit Mäusen zeigte sich zudem, dass sich das Virus in den oberen Atemwegen der Tiere vermehren konnte, wie die Forschenden im Fachartikel schreiben.

Infektion bisher nicht nachgewiesen  
Nachgewiesen wurden solche Infektionen bei Menschen und Nutztieren bisher noch nicht, betont Studienleiterin Stertz. «Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass die Viren diese Fähigkeit grundsätzlich haben.» Mit ihrem Team will sie die Viren daher weiter untersuchen.

Influenzaviren kommen in verschiedenen Typen vor, solche, die beim Menschen Grippe auslösen, und solche, die Vögel und Schweine infizieren. Eine Übertragung von Tier zu Mensch ist sehr selten, aber gefürchtet: Vor einigen Jahren bereitete die Schweinegrippe Sorgen, weil ein ähnlicher Typ von Influenzavirus 1919 die Spanische Grippe mit mindestens 25 Millionen Todesopfern ausgelöst hatte.

Die verschiedenen Typen von Influenzaviren werden daher intensiv erforscht. Auch wenn sie hauptsächlich in Tieren zirkulieren und eine Infektion des Menschen noch nicht oder nur selten nachgewiesen wurde, können die wandlungsfähigen Viren durch Mutation auch für den Menschen gefährlich werden.