Was Tiere angeht, führt Australien locker die Liste der Superlative an: In keinem anderen Land gibt es so viele endemische Tiere wie hier. 93 Prozent der ursprünglich in Australien lebenden Amphibien, 90 Prozent der Insekten und Fische, 89 Prozent der Reptilien und 83 Prozent der Säugetiere kommen nur auf dem Roten Kontinent vor. Durch das isolierte Ökosystem konnten sich hier Tiere entwickeln und überleben, die es auf anderen Kontinenten nicht oder nicht mehr gibt. 

Klar also, dass wir auf dieser Reise die Augen besonders weit geöffnet und die Kamera wann immer möglich griffbereit haben. Unser Roadtrip führt uns von Cairns entlang der Ostküste südwärts bis nach Brisbane. Zuerst aber machen wir einen Abstecher in den Norden von Cairns. Hier befindet sich weltweit der einzige Ort, wo zwei Unesco-Welt­naturerbestätten aufeinandertreffen: der Daintree-Regenwald der Wet Tropics sowie das Korallenriff Great Barrier Reef, das man schon vom Strandufer an den dunklen Flecken im Wasser ausmachen kann. 

Der gefährliche Beerenpicker
In diesem Regenwald lebt ein ganz spezieller Vogel, heimisch nur in Australien und Neuguinea. Es handelt sich um die gefährlichste Vogelart der Welt: den Kasuar. Der flugunfähige Laufvogel ist mit dem Emu verwandt und kann bis knapp zwei Meter hoch sowie bis zu 70 Kilogramm schwer werden. Sein Gefieder besteht aus feinen, dunklen Federn, vom langen, blauen Hals hängt ein roter Kehllappen und auf dem Kopf befindet sich eine Art Helm aus Horn. Fühlen sich diese Tiere bedroht, können sie äusserst aggressiv werden und mit den starken Beinen kräftig zutreten. Und so zucken wir bei jedem Rascheln im dunklen, dichten Regenwald zusammen – doch statt eines Kasuars kriegen wir nur andere Vögel zu Gesicht.

Reisetipps
Swiss fliegt täglich von Zürich via Singapur oder Hong Kong nach Sydney. Für die weitere Erkundung des Landes lohnt sich ein Mietauto. Für die Ostküste ist keins mit Vierradantrieb notwendig. Bei Naturliebhabern beliebt sind Reisen mit Zelt oder Wohnwagen; Australien verfügt über eine hohe Dichte an Campingplätzen. Wer nicht die ganze Strecke per Auto zurücklegen will, kann sie mit einem Inlandflug (z. B. Sydney nach Cairns) abkürzen.

Von zwei Australiern erhalten wir allerdings den Ratschlag, in eine nahe gelegene Bucht zu fahren. Anscheinend gibt es dort einen Kasuar, der sich den Strand zu seinem Zuhause gemacht hat. Gefährlich sei er nicht, da er sich an Menschen gewöhnt habe. Wir begegnen dem Tier sogar schon auf dem Weg zur Bucht: Am Strassenrand pickt er Beeren von Sträuchern. Allerdings ist der Kasuar inzwischen auf der Liste der bedrohten Tiere gelandet; schrumpfender Wald, wildernde Hunde und Strassenunfälle sind die Hauptursachen. 

Vom Regenwald geht es Richtung Süden, nicht der Küste entlang, sondern durchs Inland, über die Berge der Atherton Tablelands. In Yungaburra machen wir halt, hier soll man ein weiteres merkwürdiges Tier Australiens sichten können: das Schnabeltier. Wir spazieren einem kleinen, ruhigen Fluss entlang, dem Peterson Creek. Im Schatten der Bäume halten wir Ausschau nach diesen Tieren mit entenähnlichem Schnabel, wasserabweisendem Körperpelz, flachem, biberähnlichem Schwanz und Schwimmhäuten an den Zehen.

Doch die einzigen Flussbewohner, die wir sehen, sind Schildkröten. Als wir fast zurück beim Ausgangspunkt sind, sehe ich einen weiteren schwarzen Schatten im Wasser. «Schau, wieder eine Schildkröte», sage ich und merke sogleich, dass ich mich geirrt habe: Da treibt tatsächlich ein junges Schnabeltier auf dem Wasser. Erschreckt taucht es sogleich unter. Doch ein wenig später zeigt sich das scheue Tier noch einmal an der Wasseroberfläche.

Eierlegendes Säugetier
Die zwischen 30 und 40 Zentimeter gross werdenden Schnabeltiere gehören zu den sogenannten Kloakentieren, die ihren Namen von der gemeinsamen Öffnung (Kloake) für Ausscheidungs- und Geschlechtsorgane haben. Es gibt nur zwei Familien dieser Gruppe: die Schnabeltiere und die Ameisenigel. Es sind die einzigen Säugetiere, die Eier legen, und auch sie kommen nur in Australien und Neuguinea vor.

Das (Tier-)Glück scheint uns auf dieser Reise hold zu sein, kurz vor Brisbane besuchen wir den beliebten Ferienort Noosa und wandern durch den Nationalpark an der Küste. Der Ozean leuchtet in einem klaren Blau, wir entdecken Meeresschildkröten im Wasser, in der Ferne sehen wir Delfine und sogar die Atemluftfontäne eines Wales. Auf einmal stos­sen wir auf eine Menschentraube, die in die Bäume starrt. «Seht, ein Koala!» Und tatsächlich: Hoch oben in den Wipfeln des Baumes schaut ein Koala auf uns herunter. 

Bis zu 20 Stunden pro Tag kann ein Koala mit Schlafen verbringen, er ist eigentlich nachtaktiv, weshalb wir unser Glück kaum fassen können. Am Boden ist er selten zu sehen; normalerweise reichen ihm die Eukalyptusblätter mit der darin enthaltenen Flüssigkeit zur Nahrungs- und Wasseraufnahme aus. Auch wenn er fälschlicherweise oft als Koalabär bezeichnet wird, gehört er nicht zur Bärenfamilie, sondern zu den Beuteltieren. Die ursprünglich weitverbreiteten Tiere sind heute allerdings in vielen Teilen Australiens ausgerottet. Ihre Gesamtpopulation wird auf 50 000 bis 80 000 geschätzt. 

Infoshow in der Auffangstation
Wer weniger Glück mit dem Sichten der Tiere in der freien Wildbahn hat, dem bietet der Besuch einer der vielen Wildtier­auffangstationen eine Alternative. Das Cooberrie Wildlife Sanctuary in der Nähe von Yeppoon beispielsweise ist ein kleiner Familienbetrieb, der kranke, verletzte und verwaiste Tiere aufpäppelt und – sofern wieder gesund – in der Natur freisetzt. Tiere, die nicht mehr alleine in der Wildnis überleben könnten, erhalten hier ein neues Zuhause.

Neben verschiedenen Reptilien, Vögeln und Affen trifft man hier auch auf zahlreiche indigene Tiere, wie etwa Koalas, Dingos, Wombats und Kasuare. Auf der grossen Wiese hüpfen Kängurus und Wallabys herum. An Menschen gewöhnt, kommen sie rasch näher und hoffen, gefüttert zu werden, denn am Eingang werden den Besuchern kleine Säckchen mit Futter verkauft. Jeden Tag um 13 Uhr gibt es zudem eine Informationsshow, bei der den Besuchern verschiedene Tiere gezeigt und einige sogar in die Hand gegeben werden, wie etwa ein Blauzungenskink, ein Kurzkopfgleitbeutler oder ein Python. Natürlich darf hier auch ein Koala nicht fehlen, den man sogar streicheln darf. Für einen Aufpreis von 15 Franken, im Prinzip einer Art Spende für das Tierheim, darf man den Koala auf dem Arm halten und Fotos mit ihm schiessen – was übrigens nicht nur für Kinder ein Höhepunkt ist.

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