Was Karin bei ihrem Freiwilligeneinsatz im Lion Park bei Johannesburg erlebt hat, klingt eindrücklich. Sie berichtet von Löwenbabys, die wenige Wochen bis zweieinhalb Monate alt waren. «Sobald man den Käfig betrat, wollten sie spielen und kuscheln.» Die ganz kleinen Löwen konnte sie gar mit der Flasche füttern – für Karin ein Highlight im Freiwilligenprojekt in Südafrika. «Ich kann nur allen, die darüber nachdenken, im Freiwilligenprojekt im Lion Park zu arbeiten, dazu raten, es zu tun!» 

Mit dieser Empfehlung stösst Karin auf offene Ohren. Der Voluntourismus, eine Verbindung von Tourismus und Freiwilligenarbeit, boomt, vor allem bei jungen Reisenden. In Deutschland leisten jährlich 20 000 Personen freiwillige Einsätze, die meist drei bis vier Wochen dauern. In der Schweiz bieten zum Beispiel die Reiseunternehmen Globetrotter und STA-Travel sowie das spezialisierte Unternehmen TravelWorks solche Einsätze an. 

Viele Volunteering-Anbieter oder auch Löwenparks werben mit Kuschelfotos von jungen Löwen Volunteers an. Bei Globetrotter und STA-Travel wurde in den Katalogen 2015 mit Fotos von Freiwilligen, die junge Löwen spazieren führen, für den Einsatz geworben. «Ihr begleitet die Kleinen mit einem erfahrenen Guide auf täglichen Bush Walks und helft bei der Fütterung mit, gegebenenfalls auch mit der Flasche», so der Text dazu. Als Ziel der Arbeit wird die Rückführung der Tiere in die Wildnis genannt. 

Für Trophäenjäger aufgezogen
«Wegweiser Freiwilligenarbeit», eine unabhängige Plattform für Freiwilligeneinsätze nach ethischen Kriterien, steht solchen Angeboten skeptisch gegenüber. Nach ihrer Recherche und Nachfragen bei Natur- und Tierschutzorganisationen wie dem WWF, Vier Pfoten und der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) gebe es derzeit in ganz Afrika kein Auswilderungsprogramm für Löwen in freier Wildbahn, hält Sprecherin Teresa Halbig fest. «Wir halten deshalb die Aussage, dass die Tiere ausgewildert werden, für nicht glaubhaft.» Ausserdem müsse man sich fragen, wo die jungen Löwen, die anscheinend regelmässig neu vorhanden sind, herkommen. 

Viele Freiwillige kehren mit ähnlichen Erfahrungen wie Karin von ihrem Einsatz zurück. Was sie allerdings nicht wissen: Die niedlichen Löwenbabys, um die sie sich gekümmert haben, werden nicht ausgewildert, sondern für die Jagd grossgezogen. 

Jährlich werden allein in Südafrika um die 800 Löwen aus Aufzucht durch Canned Hunting – Gatterjagd in eingezäunten Arealen – von Hobbyjägern getötet. Rund 6000 Löwen leben in rund 200 Aufzuchtreservaten. Auch sie sind gefährdet, zumal sie – einmal menschenzahm – ein einfaches Ziel für Trophäenjäger und auch für Wilderer werden, die Löwenknochen nach China verkaufen. Ein Beispiel machte weltweit Schlagzeilen: Löwe Cecil wurde in Simbabwe aus dem Nationalpark gelockt und von einem Trophäenjäger getötet – für 55 000 Dollar.

Die Jagd ist in Südafrika und den Nachbarstaaten eine mächtiger Industriezweig. Der Verband der Jagdveranstalter schätzt den wirtschaftlichen Wert inklusive Tourismus­einnahmen aus der Jagd in Südafrika auf jährlich eine Milliarde Dollar. Im Internet bietet das Jagdunternehmen African Sky einen weiblichen Löwen für 12 500, einen männlichen für 25 500 Dollar an. Die Campaign Against Canned Hunting (CACH) rechnete aus, dass man pro Löwe insgesamt bis zu 77 000 Euro Gewinn erzielen kann, die Freiwilligenarbeit schlägt mit 15 000 Euro Gewinn zu Buche. 

Ein Verbot könnte die Industrie stoppen
Trotzdem orientieren sich bei der Auswahl viele Freiwillige an Erfahrungsberichten anderer. Karin schreibt in ihrem Bericht allerdings nichts davon, dass Touristen im Lion Park für eine halbe Stunde Bush Walk mit Löwe rund 40 Franken bezahlen und Löwenbabys von ganzen Schulklassen gestreichelt werden. Im Park leben nach Angabe der Website 85 Löwen. Es wird beteuert, dass man nichts mit Canned Hunting zu tun habe, sondern ausgewachsene Löwen an Zoos oder an Reservate weitergebe. In einer CBS-Sendung vom November 2014 gab der Parkleiter jedoch zu, dass Löwen an Käufer gingen, die in das Geschäft mit Canned Hunting involviert sind. 

Die Todesindustrie wirklich stoppen könnte einzig ein Verbot der Löwenjagd. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten lancierte in der Schweiz die internationale Petition «Keine Löwenjagd in Südafrika», im März 2016 will sie dem Präsidenten Südafrikas 300 000 Unterschriften übergeben. Erste Erfolge aufgrund des Drucks von Tierschutzorganisationen können bereits vermeldet werden: Die Amerikanische Artenschutzbehörde Fish and Wildlife Service hat die Einfuhr von Jagdtrophäen afrikanischer Zuchtlöwen in die USA verboten, ausserdem werden Löwen dort seit dem 22. Januar in die nationale Liste bedrohter Arten aufgenommen. 

Auch die Schweizer Reiseunternehmen haben gehandelt. Im Katalog 2016 bietet Globetrotter das Projekt mit den jungen Löwen nicht mehr an. Der Reiseveranstalter organisiert die Angebote nicht selber, sondern übernimmt sie vom Spezialisten TravelWorks, der im ganzen deutschsprachigen Raum für 10 000 Kunden Voluntourismus organisiert. Canned Hunting sei erst seit kurzer Zeit ein Thema, sagt Tanja Brandt, Leiterin bei TravelWorks. «Seither haben wir alle Angebote überprüft, Referenzen eingeholt und Organisationen befragt, die sich gegen Canned Hunting engagieren.» Bei der Auswahl der Angebote seien die wichtigsten Faktoren heute, dass keine Aufzucht von Löwen stattfinde und Kontakte mit Menschen auf ein geringstmögliches Mass beschränkt sind. 

STA-Travel bietet im Katalog 2016 nur noch Grosskatzen-Projekte an, bei denen es um Beobachtung von frei lebenden Tieren in Reservaten geht, von Kontakten mit jungen Löwen ist nicht mehr die Rede. «Wir arbeiten bei der Auswahl eng mit CACH zusammen», sagt Anneli Buehrle, Produktmanagerin beim weltweit tätigen Reiseunternehmen. 

Löwenbaby-Projekte nicht anheizen
Überhaupt keine Projekte mit jungen Grosskatzen vermittelt «Wegweiser Freiwilligenarbeit». Es gebe sicher ein paar gute Projekte, sagt Teresa Halbig. «Doch als unabhängiges Portal in Europa und ohne die Möglichkeit für eine eigene Überprüfung ist es für uns unmöglich, die Spreu vom Weizen zu trennen.» Stattdessen versuche man, die Nachfrage nach Löwenbaby-Projekten nicht noch zusätzlich anzuheizen. Auf ihrer Website informiert «Wegweiser Freiwilligenarbeit» über Canned Hunting und bietet mit 400 Projekten in 55 Ländern sinnvollere Alternativen auf. 

Eine Liste von seriösen Reservaten für Freiwilligeneinsätze findet sich auch auf der Website von CACH. Auch hier ist der Tenor klar: «Wenn immer du ein Löwenbaby streichelst, unterstützt du damit die Jagdindustrie», betont Chris Mercer, Gründer von CACH. Als Richtlinie rät er Volunteers und Touristen deshalb, keine Parks zu besuchen und zu unterstützen, die mit Streicheln, Spielen oder direkter Betreuung von jungen Grosskatzen werben – weder Reservate, die Löwen angeblich auf eine Auswilderung vorbereiten, noch sogenannte Game Parks, die Löwenbabys als Attraktion vermarkten.

Weitere Informationen finden Sie auf www.wegweiser-freiwilligenarbeit.com und www.cannedlion.org