Ein Team um Klaus Zuberbühler von der Universität Neuenburg zeichnete während vier Monaten im thailändischen Regenwald die Laute von Weisshandgibbons auf. Dabei konzentrierten sich die Forscher nicht auf die melodiösen Gesänge, sondern auf die Flüstertöne, die sogenannten «Hoo»-Rufe. Diese sind für das menschliche Ohr kaum zu hören, schreiben die Forschenden im Fachjournal «BMC Evolutionary Biology».

Die Wissenschaftler aus der Schweiz, Grossbritannien und den USA folgten den Tieren den ganzen Tag und hielten fest, in welchen Situationen diese «Hoo»-Rufe ausstiessen. Insgesamt 4500 Rufe kamen so zusammen. Um Warnrufe auszulösen, stellten die Forschenden zudem Modelle von Tigern, Leoparden, Pythons und Schlangenadlern in wirklichkeitsgetreuen Posen auf.

Dabei zeigte sich, dass die Gibbons sehr zuverlässig in bestimmten Situationen unterschiedliche «Hoo»-Laute von sich gaben. So gibt es «Hoo»-Rufe für die Futtersuche, für das Treffen von Nachbargruppen oder solche, die zu den Duett-Gesängen von Paaren gehören.

Raubvogel tönt nicht wie Raubkatze
Besonders auffallend waren die leisen Laute, die Gibbons in Anwesenheit von Raubtieren von sich gaben. Am kürzesten, leisesten und tiefsten waren die Raubvogel-«Hoos». Sie hatten eine Frequenz von unter einem Kilohertz - damit lagen sie unter dem Tonbereich, in dem die Vögel am besten hören. So vermeiden die Primaten, vom Raubvogel gehört zu werden.

Die Flüstertöne für Tiger und Leoparden waren sich sehr ähnlich, was darauf hindeutet, dass die Gibbons sie unter «grosse, gefährliche Katze» zusammenfassen. Männchen und Weibchen stiessen ähnliche «Hoo»-Rufe aus, doch die der Weibchen waren überraschenderweise tiefer als die der Männchen. Nur die Männchen riefen bei Treffen mit Nachbarn.

«Diese Primaten sind ausserordentlich vokale Kreaturen», sagt die Erstautorin Esther Clarke von der Durham University in einer Mitteilung des Fachjournals. Die Resultate sind laut den Forschern bemerkenswert, da sie eine seltene Möglichkeit bieten, die Evolution der stimmlichen Kommunikation zu studieren. «In Zukunft könnten Gibbon-Laute viel über die Prozesse vokaler Kommunikation, nicht zuletzt der Evolution der menschlichen Sprache aussagen», sagt Clarke. Die Fähigkeit, für verschiedene Situationen spezifische Rufe zu erzeugen, sei eine Bedingung, um Informationen über äussere Umstände zu vermitteln, schreiben die Forschenden. Dieses Verhalten scheine weit verbreitet zu sein und sei mit grosser Wahrscheinlichkeit auch bei den Vorfahren heutiger Primaten – und dem Menschen – vorhanden gewesen.