Titus ist tot. 35 Jahre alt wurde er, der stattliche Berggorilla aus dem Vulkan-Nationalpark in Ruanda. Er war ein Silberrücken, der Chef seiner Gruppe. Ein junges Männchen, Ihumure, war bei Titus, als Feldassistenten den toten Gorilla fanden. Ihumure sei sechs Monate zuvor mit seiner Mutter zu der Gruppe gestossen. Seitdem hätten er und Titus ein enges Verhältnis gepflegt, schreiben Forscher des Dian Fossey Gorilla Fund International aus der US-Stadt Atlanta in einer Anfangs April im Fachmagazin «PeerJ» erschienen Fallstudie. Während zwei Tagen sei Ihumure bei Titus geblieben und habe sogar in seinem Nest geschlafen. Bei Besuchen von anderen Männchen am Totenbett hielt er sich im Hintergrund.

Ein Jahr nach Titus starb Tuck, das dominante Weibchen der Gruppe, im Alter von 38 Jahren. In beiden Fällen besuchten alle Mitglieder der Gruppe die Toten, berührten die Körper, streichelten oder lausten sie, schnüffelten an ihnen oder leckten sie ab. Besonders traurig über Tucks Tod schien der junge Segasira zu sein. Er war ihr Sohn. Laut den Forschern lauste er seine tote Mutter nicht nur, er versuchte auch, von ihrer Brust zu trinken – obwohl er eigentlich bereits entwöhnt war.      

Dies deute darauf hin, dass Gorillas tatsächlich trauern – ein auch unter Wissenschaftlern kontroverses Thema. «Bei Primaten, vor allem bei Menschenaffen, gibt es vom Verhalten und der physiologischen Reaktion auf den Tod her überzeugende Belege, dass sie trauern», heisst es in der Studie. So sei Segasiras Verhalten als «Troststillen» zu deuten. Dabei könne das auch als «Liebeshormon» bekannte Hormon Oxytocin ausgeschüttet werden, das Stress reduziert. Auch Ihumures Verhalten sei wahrscheinlich ein Zeichen von Trauer: «Menschen sind mit ihrer Fähigkeit zu trauern wohl nicht einzigartig.»    

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Jetzt wach doch endlich auf!
Interessanterweise zeigten einige Männchen – junge Schwarzrücken und nicht-dominante Silberrücken – auch aggressives Verhalten gegenüber den Toten. Dies könne ein Versuch sein, den Verstorbenen wachzurütteln. Ein Gorilla könne vielleicht nicht sofort erkennen, dass sein Gspändli nie wieder antworten wird. Weitere Aggressionen können dann ein Ausruck von Frustration sein, weil der andere nicht reagiert und man nicht in der Lage ist, ihn wachzurütteln. Stirbt dagegen ein Gorilla, der nicht zur Gruppe gehört, kann er von den Männchen immer noch als Bedrohung angesehen werden.    

So geschah es nämlich in einem dritten Fall, den die Forscher untersuchten. Hier stiess eine Gruppe Östlicher Flachlandgorillas aus dem Kongo auf einen toten Silberrücken, der alleine unterwegs war. Obwohl es sich – mit aller Wahrscheinlichkeit – um einen Fremden handelte, besuchten die Gruppenmitglieder auch diesen Kadaver, streichelten und lausten ihn. Die Forscher glauben, dass Gorillas damit ihre allgemeine Neugierde gegenüber dem Tod zum Ausdruck bringen. Einzig die erwachsenen Weibchen blieben dem toten Gorilla fern – schliesslich sind Silberrücken dafür bekannt, dass sie oft den Nachwuchs töten. 

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