Es sind immer mehr oder weniger die gleichen gefiederten Freunde, die beim «Tierwelt»-Redaktor im Homeoffice auf Balkonbesuch kommen. Neben einer ganzen Spatzen-Gang sind es die drei immergleichen Türkentauben, die entdeckt haben, dass es im Vogelhäuschen fleissig Futternachschub gibt. Dazu kommt ein Amselmann mit einer weissen Stelle im Nackengefieder und eine Meise, die den Körnerkolben am Wäschehaken entdeckt hat.

Als er sie durchs Fenster beim Körnchenknabbern beobachtete, fiel dem Autor auf, wie unterschiedlich sich die Vögel fortbewegen: Die Tauben schreiten über den Balkonsims, die Spatzen hüpfen. Und zwar fast immer. Es wäre nicht so, dass die Spatzen nicht in der Lage wären, ein Bein vors andere zu setzen, nur lassen sie offensichtlich lieber beide aufs Mal vom Boden schnellen, während die Tauben zwar sehr wohl mit einem Satz aufs Balkongeländer hüpfen können, auf ebenem Untergrund aber konsequent Schritt für Schritt stolzieren. Aber wieso? Warum hüpfen manche Vögel, während andere lieber laufen?

Ein hüfender Spatz

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Natürlich gibt es kaum etwas, das noch nicht mit wissenschaftlichen Augen untersucht wurde. Und so ploppt bald schon ein Paper aus dem Fachjournal «Systematic Biology» auf dem Bildschirm auf. Ziemlich neu ist es erst noch, aus dem Jahr 2020 und eine Zusammenarbeit zwischen Pauline Provini und Elizabeth Höfling von der Universität von São Paulo in Brasilien.

«To Hop or Not to Hop» lautet der Titel der Studie, in deren Rahmen die Biologinnen mehr als 1000 Vogelarten auf die Frage untersuchten, ob sie sich lieber hüpfend oder laufend fortbewegen. Sie schauten sich dafür allerhand Videomaterial von Vögeln aus aller Welt an und kamen letztlich zu folgenden Schlüssen:

Schreitende Tauben

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Auf den Lebensraum kommt es an
Je grösser ein Vogel ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er läuft statt zu hüpfen. Klar, ein Strauss würde einen merkwürdigen Eindruck hinterlassen, würde er durch die Savanne hoppeln. Auch die langen Stelzen eines Storchs sind perfekt zum Schreiten gebaut – nicht von ungefähr kommt der Ordnungsname der Schreitvögel, zu denen neben Störchen etwa auch Reiher oder Pelikane gehören. Und die balkonspazierende Taube ist immerhin auch grösser als der hüpfende Spatz.

So läuft der Weisskopfseeadler

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Aber diese grössentechnische Unterscheidung zwischen Hüpfen und Gehen erklärt nicht alles, schliesslich sieht man auch grössere Greifvögel wie etwa den Steinadler oft hüpfend. Wer sich einem Raben nähert, kann oft beobachten, wie der Vogel erst gemütlich davonspaziert, wenn er es dann aber eilig hat, plötzlich im Schnelltempo davonhüpft. Und so geht es sogar den Felsenpinguinen – auf Englisch «Rockhopper», Felshüpfer, genannt.

Worauf es noch eher als auf die Grösse ankommt, schreiben denn auch die Wissenschaftlerinnen: den Lebensraum der Vögel. Je mehr Zeit sie auf Bäumen verbringen, desto eher hüpfen sie. Auf Ästen ist ein gewöhnlicher Spazierschritt wenig gewinnbringend; Spatzenfüsse etwa sind wie dafür geschaffen, sich parallel zum Baum an einen Ast zu krallen. Spazieren geht da höchstens seitwärts – da ist hüpfen oder gar fliegen effizienter.

Die «Rockhopper» in Aktion

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Die Taube im Gegenzug ist ursprünglich eine Felsenbewohnerin. In dieser Umgebung gibt es auch mal ebene Flächen zum Auftreten. Amsel und Krähe sind wohl typische Mischformen; eigentliche Waldvögel, die sich aber mehr und mehr an das Leben in der Zivilisation gewöhnt haben. Vor allem aber sind sie intelligent und anpassungsfähig, weshalb sie beide «Schritte» beherrschen.

Es bleibt einzig noch die Frage, weshalb der Felsenpinguin nicht einfach über die steinernen Klippen Feuerlands schreitet, sondern offensichtlich hüpfend schneller vorwärtskommt. Eine Frage, die sich beim Blick auf ihre kurzen Watschelbeine rasch erübrigt: Mit denen ist rennen schwierig – und ein rasches Stufensteigen auf höher gelegene Felsen gänzlich unmöglich.

Wenns schnell gehen muss, hüpft die Krähe davon

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