Demnach fiel der erstmalige Einsatz bestimmter Pestizide auf nahe gelegenen Reisfeldern mit dem Zusammenbruch ganzer Fischpopulationen im Lake Shinji zusammen. Die Forscher vermuten, dass kleinste Wassertiere, und damit die Nahrung der Fische, zerstört wurden. Die dort eingesetzten Insektizide, sogenannte Neonicotinoide, sind weltweit stark verbreitet. Ähnliche Szenarien könnten nach Expertenaussagen daher auch in Eruopa geschehen sein. In der Schweiz und in der EU sind seit Anfang 2018 drei Neonicotinoidhaltige Insektizide im Freiland verboten.  

Die Neonicotinoide sind in der Kritik, weil sie unter anderem Bienen und Vögeln schaden («Tierwelt Online» berichtete). Japanische Forscher fanden nun zudem heraus, dass die Auswirkungen dieser Mittel auf Ökosysteme in Gewässern beträchtlicher sein könnten, als bisher angenommen. Das Team um Masumi Yamamuro von der Universität Tokio untersuchte die Wasserqualität und die Lebewesen im Lake Shinji. Dieser liegt in Küstennähe und enthält Brackwasser. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin «Science» veröffentlicht.  

Mücken und Krebse verschwunden  
Die Forscher konnten zeigen, dass es seit dem ersten Einsatz der Insektengifte im Jahr 1993 bis zu ihrer letzten Wasseranalyse im Jahr 2016 zu erheblichen Veränderungen im Ökosystem des Sees gekommen ist. So waren eine Reihe von kleinsten Wasserlebewesen, die zuvor reichlich vorkamen, entweder ganz verschwunden oder nur noch in geringem Mass zu finden. Dazu gehören zum Beispiel bestimmte Arten von Mücken, Asseln, Würmern oder Krebsen. Diese dienen als Teil des Zooplanktons insbesondere jungen Fischen als Nahrung.  

Der Studie zufolge reduzierte sich die Biomasse solcher Kleinstlebewesen kurz nach dem ersten Einsatz der Pestizide stark und blieb im Schnitt bei 83 Prozent des Ausgangswertes. Gemessen wurde jeweils im Mai. Als eine Folge ihres Nahrungsschwundes brachen die Bestände an Aalen und Stinten ein. Die Ausbeute des gewerblichen Fischfangs bei Stinten sank ebenfalls in kurzer Zeit drastisch. Sie verringerte sich im Schnitt von 240 Tonnen pro Jahr vor dem ersten Einsatz der Neonikotinoide auf 22 Tonnen danach.  

Auch in anderen Seen sei nach dem Eintrag dieser Substanzen ein Rückgang von Zuckmücken beobachtet worden, schreiben die Forscher mit Verweis auf frühere Studien.  

Resistente Eisfische  
Andere Lebewesen zeigten sich resistenter. So vergrösserte sich während der Studie der Bestand an Eisfischen sogar. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich diese stärker von pflanzlichem Plankton, wie Algen, ernähren. Aale und Stinte hingegen würden besonders sensibel auf die veränderte Nahrung reagieren.  

Andere Faktoren, die sich ebenfalls negativ auf die Fischbestände auswirken könnten, schlossen die Forscher aus. So hatte sich weder der Salzgehalt noch die Sauerstoffkonzentration des Wassers wesentlich verändert. Auch war keine neue Fischart im See aufgetaucht, welche die anderen Arten verdrängt hätte. Die Fischbestände hätten auch deshalb eigentlich stabil bleiben müssen, weil die dortige Fischergesellschaft jährlich Eier von Stinten und Aalen in den See aussetze.  

Die Neonicotinoide, die im Wasser des japanischen Sees gefunden wurden, sind stark verbreitet. Die Forscher glauben daher, dass auch in anderen Gewässern ein Einbruch beim Fischbestand mit dem Einsatz der Gifte zusammenhängen könnte. In dem japanischen See fanden die Forscher sieben verschiedene Insektizide, die nach ihren Angaben auch in der Kombination zu besonders negativen Effekten geführt haben könnten.  

Experte: Unterschätzte Gefahr  
Die EU-Staaten hatten 2018 allerdings für ein weitergehendes Freilandverbot von drei weit verbreiteten Neonicotinoiden gestimmt. Die Stoffe dürfen demnach nur noch in Gewächshäusern eingesetzt werden, auf Äckern sind sie verboten. Es gibt aber weitere Neonicotinoide und zudem Ausnahmeregelungen.  

Für Falko Wagner, Leiter des Instituts für Gewässerökologie und Fischereibiologie im deutschen Jena bestätigen sich mit der Studie ältere Befürchtungen: «Die negativen Auswirkungen von Neonicotinoiden auf wirbellose Tiere sind durch Laborexperimente eindeutig belegt. Aber dass dies nun so klar im natürlichen System nachgewiesen wird, ist ein starkes Indiz für die unterschätzte Gefahr durch Pestizide.»  

Ein eindeutiger Zusammenhang mit Pestiziden konnte aber bisher nicht festgestellt werden. Langfristig hätte ein solche Entwicklung aufgrund der vielfältigen Nahrungsbeziehungen weitreichende Auswirkungen: «Von den Fischen leben ja wiederum andere Tiere, zum Beispiel der Fischotter, aber auch Vögel und andere Landtiere, die auf diese Nahrung zwingend angewiesen sind», so Wagner.