Die Bilder vom Todeskampf der Delfine vor der Küste Japans erregen immer wieder weltweit Entsetzen. Gegner der alljährlich zwischen September und März laufenden Treibjagd protestieren vor den japanischen Botschaften in mehreren Ländern und fordern ein sofortiges Ende der «Barbarei».

Zwar jagen auch die Färöer-Inseln Delfine, doch nur Japan sieht sich am Pranger der Weltöffentlichkeit. Wenngleich die meisten Japaner über die Delfinjagd im eigenen Lande kaum etwas wissen, so empfinden manche die Reaktionen im Westen dennoch als ungerecht und diskriminierend.

Protest über Twitter
Als sich kürzlich die neue US-Botschafterin in Japan, Caroline Kennedy, der Kritik anschloss und per Twitter ihre Sorge über die «Unmenschlichkeit» der Treibjagd auf Delfine zum Ausdruck brachte, sah sich die Regierung in Tokio zu einer Gegenreaktion genötigt.

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Die Jagd auf Wale und Delfine gehöre nun mal zur japanischen Esskultur und habe eine «historische Tradition», betonte Ministerpräsident Shinzo Abe. Dem widersprechen die Gegner. «Die Delfin-Treibjagden in Taiji haben keine jahrhundertelange Tradition», sagt Sandra Altherr von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife. «Die erste Treibjagd im grossen Stil in Taiji fand 1969 statt.» Eskaliert seien die Jagden Ende der 80er Jahre nach Beschluss des Walfang-Moratoriums.

Das weisen die Fischer in Taiji entschieden zurück. «Natürlich ist es eine Tradition. Früher hatte man nur nicht zwischen Walen und Delfinen unterschieden. Das waren alles grosse und kleine Wale», erklärt ein Sprecher des Fischerverbandes von Taiji, der seinen Namen nicht nennen möchte.

Systematischer Fang seit 400 Jahren
Dass die Menschen schon vor Tausenden von Jahren nicht nur Wale, sondern auch Delfine verzehrten, zeigten auch Knochenfunde von Delfinen aus der Jomon-Zeit (10'000 bis 300 v.Chr.), sagt Katsuki Hayashi, Leiter des Walfangmuseums in Taiji. Der systematische Walfang habe hier vor 400 Jahren begonnen. Tatsache ist aber auch, dass die meisten Japaner kaum Wal oder Delfin essen.

Für die Menschen an kleinen Walfangorten wie Taiji aber sei die Delfinjagd weiterhin eine «unverzichtbare» Lebensgrundlage, erläutert die Provinzverwaltung auf ihrer Internetseite. Um ein «Überfischen» zu vermeiden, gibt der Staat Taiji und einer Handvoll anderer Walfangorte heute Fangquoten vor – nur für nicht bedrohte Arten, wie es ausdrücklich heisst.

So darf Taiji in der noch bis Anfang März laufenden Saison genau 2026 Delfine fangen, erklärt ein Sprecher der zuständigen Provinzverwaltung von Wakayama. Allerdings werde nur etwa 10 Prozent des Fleisches in Taiji selbst konsumiert, der Rest werde in andere Regionen wie San-in oder Izu geliefert, wo ebenfalls Walfleisch gegessen werde. Den Vorwurf im Westen, das Abschlachten der Delfine sei «unmenschlich», weisen die Menschen vor Ort zurück.

Schockierende Bilder verhindern
Anders als früher, als Harpunen in die Delfine getrieben wurden, wende man seit dem Jahr 2008 eine auf den Färöer-Inseln entwickelte Methode an, erläutert der zuständige Sprecher weiter. Dabei würden die Fischer das Rückenmark durchtrennen, was zu einem starken Blutverlust und damit zu einem relativ schnellen Tod führe.

Kritiker halten dagegen, dass es bei grossen und im Todeskampf herumwirbelnden Tieren wie Delfinen schwierig sei, das Rückenmark gezielt zu durchtrennen. Angesichts der vielen ausländischen Medienberichte, die Fotos vom blutgefärbten Meer in Taiji zeigen, kamen die Fischer dort auf die Idee, einen Holzpfropf in die klaffenden Wunden der Delfine zu stopfen, nur damit sich das Meer nicht so rot färbt. Dies hat jedoch zur Folge, dass sich der Todeskampf wieder verlängert.

Schlachten ist immer blutig
Seit 2008 würden die Tiere in speziellen Anlagen im Hafen von Taiji geschlachtet – so wie das auch mit Rindern und Schweinen gemacht werde, heisst es bei der Provinzverwaltung. «Es fliesst immer Blut, wenn man Tiere tötet», erläutert ein Sprecher. «Auch Rinder und Schweine werden hinter verschlossenen Türen geschlachtet, weil der Anblick für niemanden angenehm ist.»

Doch nicht alle Delfine werden getötet. Die «schönsten» Exemplare werden in Taiji für viel Geld an Delfinarien im In- und Ausland verkauft – ein höchst lukratives Geschäft für die wenigen an der Jagd beteiligten Fischer, das letztlich auch von ausländischen Auftraggebern gefördert wird.

Seitdem der amerikanische Unterwasser-Fotograf Louie Psihoyos das Gemetzel in Taiji mit Hilfe versteckter Kameras gefilmt und der Weltöffentlichkeit in seinem mit dem «Oskar» gekrönten Dokumentarfilm «Die Bucht» von 2009 vor Augen geführt hat, fühlen sich die Fischer noch mehr bedrängt. 

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Trailer zu «Die Bucht». Quelle: YouTube/diebucht

Wer während der Jagdsaison nach Taiji reist, spürt die gereizte Stimmung in dem 3500 Einwohner zählenden Ort. Tierschutzaktivisten haben dort Posten bezogen, verfolgen jede Bewegung der Fischer mit modernen Kameras und verbreiten ihre Bilder und Situationsberichte online. Aus Sorge vor Zusammenstössen patrouillieren Polizei und Mitglieder der Küstenwache durch Taiji.