Korallenriffe wie das Great Barrier Reef vor Australien gehören zu den farbenprächtigsten Lebensräumen der Erde. Das stellt die Wissenschaft vor Rätsel: Wieso kommen gerade dort so viele bunte Organismen wie Korallen, Krustentiere und Fische auf engstem Lebensraum vor?

Der braune Zwergbarsch Pseudochromis fuscus kann zum Teil sogar die Farbe wechseln. Einem internationalen Forschungsteam um die Basler Evolutionsbiologen Fabio Cortesi und Walter Salzburger ist es nun gelungen, die ökologischen und evolutionären Grundlagen dieses Farbwechsels aufzuklären. Bisher wurde angenommen, dass ihre Farbenvielfalt genetisch bedingt ist – dass sich also die verschiedenfarbigen Zwergbarsche an unterschiedliche Hintergrundfarben anpassen. Die Zoologen zeigten nun aber, dass Zwergbarsche ihre Farbe aktiv und innerhalb von relativ kurzer Zeit ändern können. Ihr Ziel dabei: andere Fischarten in ihrer Umgebung zu imitieren, um sich dann an deren Nachkommen gütlich zu tun.

Wölfe im Schafspelz
Lug und Trug sind im Tierreich alltäglich und dienen dazu, sich Zugang zur Nahrung oder Partnern zu erleichtern oder um sich vor Feinden zu tarnen. Wird allerdings zu oft oder im falschen Moment getäuscht, dann riskieren die Betrüger, aufzufliegen. Die Basler Forscher konnten bei den Zwergbarschen nun ein besonders raffiniertes Vorgehen beobachten: Die Fische imitieren abwechselnd verschiedene harmlose Fischarten in ihrer Umgebung, um zu verhindern, dass sie von ihrer Beute, den Jungen der imitierten Fische, erkannt werden.

«Diese Strategie ist dem klassischen Beispiel des Wolfs im Schafspelz sehr ähnlich. Die Zwergbarsche nutzen aber zusätzlich den Vorteil aus, ihr Aussehen kurzerhand wechseln zu können, wenn die Beutefische Verdacht schöpfen und achtsam werden», kommentiert Erstautor Fabio Cortesi die Befunde. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Kollegen in Australien, Grossbritannien, Kanada und Schweden im Great Barrier Reef vor der Nordostküste Australiens durchgeführt.

Forscher trainieren Fische
Der Farbwechsel bringt den Zwergbarschen jedoch auch noch weitere Vorteile ein – sie können sich damit besser tarnen. So trainierten die Forscher die etwas grösseren Forellenbarsche darauf, Bilder von Zwergbarschen vor verschiedenen Hintergründen anzugreifen. Dabei zeigte sich, dass die Forellenbarsche weniger auf jene Fische losgingen, die sich dem natürlichen Hintergrunds angepasst hatten. «Die Zwergbarsche haben also eine ausgeklügelte Form der Tarnung entwickelt, die ihnen nicht nur einen räuberischen Vorteil verschafft, sondern sie gleichzeitig auch noch vor ihren eigenen Fressfeinden schützt», fasst Cortesi die Resultate der Studie zusammen.

Originalpublikation:
Fabio Cortesi, William E. Feeney, Maud C. O. Ferrari, Peter A. Waldie, Genevieve A. C. Phillips, Eva C. McClure, Helen N. Sköld, Walter Salzburger, N. Justin Marshall, and Karen L. Cheney: Phenotypic plasticity confers multiple fitness benefits to a mimic. Current Biology, published online 19 March 2015
doi:10.1016/j.cub.2015.02.013