Bei einigen Reptilien und Fischen wird das Geschlecht des Nachwuchses durch die Temperatur der Umgebung bestimmt. Reptilien, die auf dieses System setzten, sind vor allem Schildkröten und Krokodile.      

Ob nun kalte, warme oder mittlere Temperaturen männchliche oder weibliche Tiere hervorbringen, variiert von Art zu Art. Für Meeresschildkröten gilt: Ist es im Nest eher kühl, kommen mehr Männchen zur Welt. Ist es dagegen warm, schlüpfen Weibchen – und das könnte für die Schildkröten zum Problem werden. Denn wegen der mit dem Klimawandel einhergehenden Erderwärmung könnte es zunehmend schwierig werden, einen Nistplatz zu finden, an dem es kühl genug ist für männliche Schildkrötenbabys.           

Wie schwierig, das wollten Forschende aus England und Portugal genau wissen. Anhand von Daten des Uno-Weltklimarats errechneten sie, dass bis Anfang des neuen Jahrhunderts 76 bis 93 Prozent der auf den Bissagos-Inseln vor dem westafrikanischen Land Guinea-Bissau geschlüpften Grünen Meeresschildkröten (Chelonia mydas) weiblich sein werden. Die untersuchte Population sei von «globaler Wichtigkeit», schreiben die Forscher um Rita Patricio von der Universität Exeter in ihrer Ende Dezember im Fachjournal «Global Change Biology» veröffentlichten Studie. Man könne daher weltweit ein ähnliches Bild erwarten. Heute weist die Grüne Meeresschildkröte mit 52 Prozent Weibchen ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf.        

Kühlere Temperaturen gegen Ende der Brutzeit und im Schatten werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass es Männchen geben wird, glauben die Forscher. Im Jahr 2120 werde es aber 32 bis 64 Prozent mehr eierlegende Weibchen geben. Deren gestiegene Anzahl werde zu einem kurzzeitigen Wachstum der Population von Guinea-Bissau führen, bevor sie dann zurückgeht, wenn es so heiss wird, dass die Embryos in den Eiern sterben.      

Strände unter Wasser
Als weitere Folge des Klimawandels sagen die Forscherinnen und Forscher voraus, dass 33 bis 43 Prozent der heutigen Nistplätze an den Stränden der Bissagos-Inseln unter Wasser sein werden. «Basierend auf unseren Resultaten glauben wir, dass die Meeresschildkröten-Population von Guinea-Bissau gegen die Effekte des Klimawandels bis ins Jahr 2100 ankommen kann.» Danach sieht es für die Schildkröten düster aus.  

Und sie sind nicht die Einzigen. Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt eindrücklich, was passiert, wenn die Strände zu warm sind. Die Population der Grünen Meeresschildkröte vom nördlichen Great Barrier Reef in Australien besteht fast nur noch aus Weibchen: 91,1 Prozent der Juvenilen und 86,8 Prozent der adulten Tiere dort sind weiblich. Die Autoren dieser im Magazin «Current Biology» erschienenen Studie vermuten, dass diese Population schon seit zwanzig Jahren hauptsächlich Weibchen hervorbringt und halten es für möglich, dass es in naher Zukunft bald gar keine Männchen mehr geben wird.      

Etwas besser ergeht es der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta). Eine Untersuchung auf den Kap Verden – mit 10'000 bis 15'000 Nestern jährlich eine der grössten Brutstätten dieser Art – ergab 2014, dass sich das Geschlechterverhältnis auch hier zugunsten der Weibchen verschiebt. Dennoch besteht laut der «Nature Climate Change»-Studie noch kein Grund zur Sorge. Es werde auch in der Mitte des 22. Jahrhunderts noch genug Männchen geben (4 bis 17 Prozent), um die Population am Leben zu erhalten. Für den künftigen Artenschutz sei es aber essentiell zu wissen, wie viele Männchen es braucht, damit alle Weibchen befruchtet werden und Eier legen können.