Eine Ausweitung der Meeresschutzgebiete würde nicht nur den Lebensraum der dortigen Bewohner schützen, sondern auch ausserhalb der Gebiete die Vielfalt und Anzahl mariner Arten erhöhen. Davon würde letztlich auch die Fischerei profitieren, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin «Nature». Mindestens 30 Prozent der Meeresflächen müssten ihrer Ansicht nach als Schutzzonen ausgewiesen werden.

Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei im deutschen Rostock, ist von den Berechnungen in der Studie nicht überzeugt. Sie sei zwar differenzierter als frühere, ähnliche Studien, aber er geht nicht davon aus, dass ausgedehnte Meeresschutzzonen der Fischerei helfen werden. «Die These, dass es durch die Erholung des Fischbestands in den Schutzzonen zu einem Anwachsen des Fischbestands ausserhalb der Zonen kommt, ist nicht ein einziges Mal belegt worden», sagt Zimmermann.

Nur wenige Meere unter Schutz
«Der Bestand an Meereslebewesen in den Ozeanen ist aufgrund von Überfischung, Zerstörung von Lebensräumen und Klimawandel weltweit zurückgegangen», wird Studienleiter Enric Sala von der National Geographic Society in der US-Hauptstadt Washington, D.C. in einer Mitteilung der Gesellschaft zitiert. Bisher stünden nur sieben Prozent der Meere unter irgendeinem Schutz, streng geschützt seien nur 2,7 Prozent. Sala und Kollegen möchten den Schutz der Meere massiv ausweiten und stellen deshalb ihr Konzept im Vorfeld der 15. Weltbiodiversitätskonferenz vom 17. bis 30 Mai im chinesischen Kunming vor.

Sie plädieren unter anderem aus Klimaschutzgründen auch für eine Einschränkung der Grundschleppnetzfischerei, da dabei das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) freigesetzt werde.

Das Konzept berücksichtigt nach Angaben der Forscher ausdrücklich auch die Belange der Fischereiindustrie. «Manche argumentieren, dass der Ausschluss der Fischerei aus Meeresgebieten die Fischereiinteressen verletzt, aber der schlimmste Feind einer erfolgreichen Fischerei ist die Überfischung – nicht die Schutzgebiete», betont Sala. Mitautor Reniel Cabral von der University of California in Santa Barbara (Kalifornien, USA) ist überzeugt: «Nachdem Schutzmassnahmen ergriffen wurden, nimmt die Vielfalt und Fülle der Meereslebewesen im Laufe der Zeit zu und die messbare Erholung erfolgt in nur drei Jahren.»

Diese Erholungseffekte sollten sich nach Berechnungen der Forscher auch in mehr Fischen ausserhalb der geplanten Schutzzonen auswirken. Sie errechneten, dass Schutzzonen auf 28 Prozent der Meeresflächen 5,9 Millionen Tonnen Lebensmittel mehr aus dem Meer erbringen würden als ein Weitermachen wie bisher. 90 Prozent dieses Ergebnisses sei sogar mit einem Schutz von lediglich 5,3 Prozent der Meeresflächen zu erreichen. Die vorgeschlagenen Schutzzonen liegen zum allergrössten Teil in den ausschliesslichen Wirtschaftszonen der Küstenstaaten, die bis 200 Seemeilen (370 Kilometer) von der Küste entfernt liegen.

Schleppnetze versauern Meere
Die Forscher berechneten auch den Umweltschaden, den die Grundschleppnetzfischerei (Trawling) durch das Aufwühlen des Meeresbodens anrichtet. Aus Satellitenaufnahmen von Trawlern schätzten sie die Fläche ab, auf der Grundschleppnetzfischerei betrieben wird.

Die Menge an CO2, die durch das Aufwirbeln von kohlenstoffhaltigem Sediment und dessen Remineralisierung in den Ozean gelangt, schätzen die Wissenschaftler auf 1,47 Billionen Kilogramm pro Jahr. Das entspreche etwa 15 bis 20 Prozent der CO2-Menge, die die Ozeane jedes Jahr aus der Luft aufnähmen, schreiben Sala und Kollegen. Das CO2 trägt zur Versauerung des Meerwassers und unter anderem zur Zerstörung der Korallenriffe bei.

Zimmermann vom Thünen-Institut sieht durch einen Rückgang der Fangmengen im Meer einen erhöhten Bedarf für Lebensmittelproduktion an Land. Dadurch werde sich jedoch der Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft über die Flüsse ins Meer erhöhen, der unter anderem zu massiven Algenblüten führe. «Der Nährstoffeintrag in die Meere ist das zweitgrösste Umweltproblem nach dem Klimawandel», sagt Zimmermann. Statt weiterer Schutzzonen plädiert er dafür, das Meer moderat und nachhaltig zu nutzen.