Mit dem Menschen gibt es sieben Arten von Menschenaffen. Nun kommt eine achte hinzu. Dies haben Anthropologen der Universität Zürich mit einem internationalen Forscherteam herausgefunden und berichten darüber im Fachjournal «Current Biology».  

Bisher waren nur zwei noch lebende Orang-Utan-Arten beschrieben, der Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus), der im indonesischen und malaysischen Teil der Insel Borneo lebt und der Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii), dessen Verbreitungsgebiet sich auf die indonesische Insel Sumatra beschränkt. Beide Arten sind laut der Weltnaturschutzunion IUCN vom Aussterben bedroht.  

Vor zehn Jahren hatten australische Forschende jedoch bei Feldstudien eine Population entdeckt, die isoliert in Nordsumatra innerhalb der drei Tapanuli-Distrikte lebt. Wie die Uni Zürich mitteilt, konnte das Team um Michael Krützen, der als Professor für evolutionäre Anthropologie und Genomik in Zürich forscht, nachweisen, dass es sich um eine eigene Art handelt, nämlich den Tapanuli-Orang-Utan (Pongo tapanuliensis).  

Krützen freut sich über diese Entdeckung: «Es ist wirklich sehr spannend und aufregend, eine neue Menschenaffenart im 21. Jahrhundert zu identifizieren», sagt er gemäss der Mitteilung. Der Tapanuli-Orang-Utan ist allerdings schon trauriger Rekordhalter: Er ist die am stärksten bedrohte Menschenaffenart. In den Hochlandwäldern seines kleinen Verbreitungsgebiets im Norden Sumatras leben nur noch rund 800 Exemplare. 

Michael Krützen spricht über die neue Art (auf englisch):

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Schädel lieferte erste Indizien  
Erste handfeste Hinweise, dass es sich bei der isolierten Orang-Utan-Gruppe in Nordsumatra um eine eigene Spezies handelt, lieferte der Schädel eines 2013 getöteten Männchens. Gewisse Merkmale der Schädelknochen und Zähne erwiesen sich im Vergleich mit vielen anderen Orang-Utan-Schädeln als einzigartig. Auch erste Genanalysen und Verhaltensbeobachtungen erbrachten Indizien für Unterschiede zu den anderen Orang-Utan-Beständen.  

Mit der umfassenden Erbgutanalyse von 37 Orang-Utans erhärtete sich der Verdacht nun endgültig. «Wir identifizierten drei sehr alte evolutionäre Abstammungslinien unter allen Orang-Utans, obwohl derzeit nur zwei Arten beschrieben sind», sagt Mitautorin Maja Mattle-Greminger.  

Anhand der Erbgutdaten rekonstruierten die Forscher die Abstammungsgeschichte der verschiedenen Orang-Utan-Bestände. Demnach war die Tapanuli-Gruppe für mindestens 10'000 bis 20'000 Jahre von allen anderen Orang-Utan-Populationen auf Sumatra isoliert. Die Tapanuli-Orang-Utans seien wahrscheinlich die direkten Nachkommen der ersten Population im Sunda-Archipel, so Studienautor Alexander Nater.  

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Neu entdeckt und schon vom Aussterben bedroht: der Tapanuli-Orang-Utan
  Bild: Maxime Aliaga

Schutz ist dringend notwendig  
Laut Krützen ist es nun besonder wichtig, die neue Art zu schützen. «Jegliche Bemühungen zur Erhaltung müssen sich primär auf den Schutz ihres Lebensraums richten», sagt er.  

Die Abholzung der Regenwälder und der geplante Bau eines Staudamms, der Teile des Habitats der Tapanuli-Orang-Utans fluten wird, bringen die gerade erst beschriebene Art in Bedrängnis. «Wenn auch nur acht der 800 Tiere pro Jahr sterben, könnte die Spezies verloren sein», warnen die Forschenden. Binnen weniger Jahrzehnte könnte es dann wieder nur sieben Menschenaffen auf diesem Planeten geben.