Kaa Kaa Kaa», krächzt es aus den Baumkronen  des Kahurangi-Nationalparks und gleich noch einmal lauter: «Kaa Kaa Kaa.» Durch das dichte Blätterdach des Bergwalds lässt sich nicht erkennen, wer da von hoher Warte krakeelt. Susi Clearwater aber kennt die Vogelstimmen der Region genau: «Ein Kaka-Pärchen, Waldpapageien», erklärt die Wanderführerin. «Kaka ist ihr Name in der Sprache der Maori. Die Neuseeländer verwenden häufig die einheimischen Vogelnamen – und die beginnen oft mit K.» 

Neuseelands Klub der endemischen Vögel, ist bedroht. Entlang der Wanderwege durch die Nationalparks Neuseelands weisen Hunderte von Kastenfallen darauf hin, dass in den Schutzgebieten ein regelrechter Feldzug gegen die von Europäern eingeführten Hermeline, Wiesel, Frettchen, Katzen und Ratten geführt wird. Neuseelands Vögel sind all diesen Neueinwanderern schutzlos ausgeliefert. Vor der Ankunft des Menschen gab es hier ausser drei kleinen Fledermausarten keine Landsäugetiere. Einige Arten wie die Kakapos und Kiwis nahmen dabei ökologische Nischen ein, die andernorts von Säugetieren besetzt sind. Weil Fressfeinde grösstenteils fehlten, verloren sie ihre Flugfähigkeit und ihren Fluchtinstinkt. 

«Clowns», die Sonnenbrillen klauen  Joseph Banks beschrieb bei der Ersterkundung der Südinsel Neuseelands den Gesang der Vögel noch als unvorstellbar kraftvoll. Der Naturforscher begleitete James Cook auf seiner ersten Südseereise an Bord der Endeavour. 1770 notierte er in sein Tagebuch: «Am Morgen wurden wir durch den Gesang der Vögel erweckt. Diese wilde Melodie war unendlich erhaben über alles, was wir je in der Art gehört hatten.» Von der schieren Stimmgewalt der Vögel Neuseelands ist heute selbst in den entlegensten Schutzgebieten kaum noch etwas zu spüren.

Im Mount-Aspiring-Nationalpark inmitten der  Südalpen ist Simon Howells mit einer Wandergruppe unterwegs zum Rob-Roy-Gletscher. Durch den dichten Bergbuchenwald führt der Wanderweg steil hinauf in Richtung des schneebedeckten Mount-Aspiring-Massivs. Kaum vorstellbar, dass diese eisige Bergwelt Heimat eines Papageis ist. «Selbst im Winter sind Keas häufig Gast auf den Skistationen und stibitzen Sonnenbrillen», erzählt der australische Bergführer, «Nehmt euch vor seinem Spieltrieb in Acht!» In den letzten Jahren sehe man sie aber immer weniger, die Hermeline machten ihnen immer mehr zu schaffen.

Am Gletscher lassen sich die Keas heute nicht blicken. Dafür aber auf einem Parkplatz neben einer Passstrasse, wo sie gerade den Scheibenwischer eines Mietwagens auseinandernehmen. Die Experimentierfreudigkeit der «Clowns der Berge» ist legendär. Ob die Touristen bei der Rückkehr von ihrer Bergwanderung den Angriff der Spassvögel mit Humor nehmen? Schätzungsweise 150 000 Keas wurden bis 1970 vor allem von Viehzüchtern abgeschossen. Die Tiere wurden dabei beobachtet, wie sie mit ihren hakenförmigen Schnäbeln das Fell von Schafen aufkratzten, um an ihr Fett zu gelangen. Der Kea Conservation Trust schätzt die Gesamtzahl der Papageien heute auf weniger als 5000.

Kakarikis, Kererus und Korimakos
«Früher waren die Vögel hier König», sagt Matt Jones. Der englische Naturfotograf und Hobby-Vogelkundler ist unterwegs im Rakiura-Nationalpark auf Stewart Island, der drittgrössten Insel im äussersten Süden Neuseelands. «Dies hier ist Neuseelands wahres Vogelparadies», sagt er, «viele Arten kommen nur noch hier vor.» Kein Wunder, dass die Chancen nirgendwo besser stehen, einen Kiwi in seinem ursprünglichen Lebensraum aufzuspüren. Auf den Hauptinseln ist der Nationalvogel der Neuseeländer für Wanderer kaum noch zu beobachten. Aus den Baumkronen auf Stewart Island dringt das Krächzen der Kakas, das Gezeter der Kakarikis, der rauschende Flügelschlag der Kererus und der helle melodische Gesang der Korimakos oder Maori-Glockenhonigfresser.

Der ungewöhnlichste und seltenste Bewohner Stewart Islands ist der Kakapo. Einst bevölkerten wahrscheinlich mehrere Millionen dieser Eulenpapageien auch die Nord- und Südinsel, bis die Maori ihr Fleisch als Delika­tesse entdeckten. Auch die Europäer stellten ihnen nach und zerstörten nach und nach ihren Lebensraum. Ende der 1960er-Jahre galt der Kakapo als ausgestorben, bis Ornithologen im zerklüfteten Fiordland-Nationalpark und auf Stewart Island zwei kleine Restpopulationen entdeckten.

Informationen und Tipps
Anreise zum Beispiel mit Air New Zealand, der nationalen Fluglinie der Kiwis über London und Los Angeles nach Auckland.
Neuseeland ist ein Wanderparadies und bekannt für seine Great Walks, neun bestens in­stand gehaltene und gut ausgeschilderte Wanderwege in den schönsten Naturlandschaften des Landes. Auf dem Rakiura Track kann man den Regenwald von Stewart Island erkunden. Der Heaphy Track führt durch einen der ursprünglichsten Farnwälder des Landes und entlang der wilden Nordwestküste im Kahurangi-Nationalpark.
www.newzealand.com

«Alle unsere Kakapos gehen auf 49 Exemplare zurück», sagt Deidre Vercoe. «Ihre Umsiedlung auf kleinere raubtierfreie Inseln hat sie wahrscheinlich vor dem Aussterben gerettet.» Seit acht Jahren leitet die Wildhüterin das Kakapo-Schutzprogram der neuseeländischen Naturschutzbehörde auf drei Inselchen. «Der Kakapo ist in vielerlei Hinsicht einzigartig», sagt Vercoe: «Er ist flug­unfähig, nachtaktiv, der schwerste Papagei überhaupt und hat ein aussergewöhnliches Brutverhalten.» Um ihre Weibchen zu beeindrucken, balzen die Männchen in einer Art Arena und versuchen ihre Konkurrenten mit einem lautstarken, dumpfen Wummern zu übertrumpfen. 

Ein Vogel, der nach Honig duftet
Der Kakapo ist ein komischer Kauz. International bekannt wurde der Eulenpapagei durch eine Sex-Attacke auf einen  Zoologen, die von der BBC ausgestrahlt wurde. Der von Hand aufgezogene und an Menschen gewöhnte Sirocco konnte der wilden Haarpracht des Briten nicht widerstehen. Er vergnügte sich vor laufenden Kameras mit dessen Hinterkopf und schlug ihm die ungelenken Flügel um die Ohren. Das unfreiwillige Lustspiel zwischen Vogel und Mensch wurde ein Youtube-Hit.

Für weiteren zweifelhaften Ruhm sorgte 2013 eine Online-Abstimmung über das hässlichste Tier der Welt, bei dem der Kakapo zum unansehnlichsten Vogel der Erde gewählt wurde. «Egal», sagt Vercoe, «wir freuen uns über jede Art von Publicity. Auch wenn ich selbst ja finde, dass unsere Kakapos hinreissend aussehen. Sie sind bezaubernde Persönlichkeiten und äusserst intelligent. Ausserdem haben sie einen wunderbaren Geruch: Vor allem in der Balzzeit duften sie geradezu nach Honig.» 

Dieses Jahr hatte die Umweltschützerin  besonderen Grund zu Freude. Weltweit berichteten Medien über die Geburt von insgesamt 38 Kakapos, wovon alle ausser einem die ersten Monate überlebten. «Wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Population heute nur 123 ausgewachsene Vögel umfasst, ist das beachtlich», sagt Vercoe, «es ist die erfolgreichste Brutsaison seit der Gründung des Schutzprogramms 1990.» Kakapos sind bei der Brut äusserst wählerisch. Sie pflanzen sich nur alle drei bis vier Jahre fort, wenn bestimmte Baumarten besonders viele Samen tragen. 

Sirocco hat sich inzwischen vom Wüstling zum Medienstar gemausert. Er hat seine eigene Facebook-Seite und fliegt jährlich mit der nationalen Fluglinie Air New Zealand auf Tournee. In Tierparks tritt er vor entzückten Schulklassen und kreischenden Teenagern auf. «Wir haben jahrelang versucht, ihm beizubringen, ein Kakapo zu sein», sagt Vercoe. «Aber er ist lieber unter Menschen und geniesst seine Auftritte sichtlich.» Das Kakapo-Sternchen soll nun helfen, Spenden einzutreiben, um seine ungeliebten Artgenossen vor dem Aussterben zu bewahren. «Ich hoffe, dass wir den Kakapo irgendwann von der Liste der bedrohten Arten streichen können», sagt Vercoe. «Und wir wollen es schaffen, dass jedes Kind auf der Erde weiss, was ein Kakapo ist, genauso wie ein Tiger und ein Elefant.»

Diese Websiteiten geben Auskunft über Vogelschutzprojekte in Neuseeland: www.kakaporecovery.org.nz, www.keaconservation.co.nz. www.doc.govt.nz