Geht es nach Professor Church, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wieder Mammuts durch die Tundra trampeln. Er ist nämlich daran, diese Tiere von den Toten auferstehen zu lassen. Oder sie zu erschaffen. Je nach Sichtweise. George Church ist Molekularbiologe und Genetiker an der renommierten Harvard-Universität in Boston. Er ist das  Aushängeschild einer Bewegung, die im englischen Sprachraum unter der Bezeichnung «de-extinction» bekannt ist – auf Deutsch meist etwas ungelenk übersetzt als «Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten». Und er hat im Februar an der weltgrössten Forscherkonferenz in den USA angekündigt, bis in zwei Jahren einen Embryo zu entwickeln, der halb Wollhaarmammut und halb Elefant sein soll.

Halb Elefant deshalb, weil Church das Mammut nicht klonen will – oder kann. Zum Klonen braucht es das vollständige, intakte Erbgut eines Tieres. Beim Wollhaarmammut hat man das nicht – kein Wunder, ist die Art doch vor rund 4000 Jahren ausgestorben. Zwar haben Forscher im Permafrost der Tundra derart gut erhaltene Mammut-Überreste gefunden, dass sie sein Erbgut entschlüsseln konnten. Doch entschlüsselt heisst nicht, dass auch bekannt ist, an welcher Position welcher Gen-Baustein liegt.

Zweifach ausgestorbener Steinbock
Churchs Vorhaben beruht deshalb auf einer Technik, mit der sich seit einigen Jahren Gene gezielt ausschneiden, verändern und in fremdes Erbgut einsetzen lassen. Auf diese Weise  hat der Forscher laut eigenen Aussagen bereits 45 Mammut-Genstücke in das Erbgut des Asiatischen Elefanten eingesetzt, dessen nächsten noch lebenden Verwandten.
Geht Churchs Plan auf, entsteht eine Art «Mammofant»: ein Elefant, aber mit langen Haaren, mit kleinen Ohren, mit viel wärmespeicherndem Fett unter der Haut und mit Blutkörperchen, die auch bei klirrender Kälte viel Sauerstoff  transportieren.

Das Mammut ist Paradebeispiel eines Tieres, das auferstehen soll – aber längst nicht das einzige. Vor vierzehn Jahren schien spanischen Forschern gar der ganz grosse Coup zu glücken: Sie hatten Ziegen Zellkerne eingesetzt, die sie dem letzten Exemplar des drei Jahre zuvor ausgestorbenen Pyrenäensteinbocks entnommen hatten. Tatsächlich entwickelte sich einer der Embryonen, und am 30. Juli 2003 kam ein Steinböcklein zur Welt. Allerdings währte die Freude nur kurz: Nach sieben Minuten erstickte der junge Steinbock aufgrund einer Missbildung seiner Lunge.
Ein zotteliger Frankenstein?

Trotzdem: So weit gekommen ist seither nie wieder ein Wiederbelebungsprojekt. Zwar arbeiten Forscher in den USA und in Australien daran, Tiere wie die Wandertaube, das Heidehuhn, den Magenbrüterfrosch oder den Moa wieder lebendig werden zu lassen (siehe Kasten). Ob und wann dies gelingt, steht aber in den Sternen. George Church vom Mammut-Projekt etwa räumt ein, dass es «noch viele Jahre» dauern werde, bis man einen ernsthaften Versuch machen könne, ein lebendiges Tier herzustellen.

Eine Frage der Ethik
Sollte dereinst ein solcher Versuch gelingen, sind die schwierigsten Fragen noch nicht beantwortet. Schon heute hagelt es Kritik aus ethischen Gründen: Manche sprechen von Frankenstein-Methoden. Andere fragen, was aus einem einsamen Mammut wird in einer Welt, in die es seit 4000 Jahren nicht mehr gehört. Und wieder andere argumentieren, man solle das Geld besser in den Erhalt noch lebender Arten stecken.

Der letzte Punkt deckt sich mit der Meinung von Christian Stauffer, Geschäftsleiter des Netzwerks Schweizer Pärke. Als Vizepräsident der International Takhi Group, die sich der Wiederansiedelung des Przewalskipferdes verschrieben hat, und als eine der treibenden Kräfte des Projekts «Wisente zurück im Jura» kennt er sich aus mit Arterhaltungsprojekten – und weist auf ein weiteres Problem von «Wiederbelebungen» hin: «Erst im Freiland zeigt sich, ob ein Tier oder eine Population dem Selektionsdruck standhält.» Bei der Auswilderung von Przewalskipferden in der Mongolei etwa hätten sich nur Hengste aus einem ganz bestimmten von mehreren Zuchten durchgesetzt.

Der Mammutpark in Ostsibirien
Von einem genetischen Wiederbelebungsprojekt in Europa habe er keine Kenntnis, sagt Stauffer. Was es aber gab und gibt, sind sogenannte Rückzüchtungen. Die Idee dabei: Tiere herauszuzüchten, die einer ausgestorbenen Art oder Rasse möglichst ähnlich sind (siehe Seiten 14 und 16). Bekannt seien die Versuche, den Auerochsen (siehe Seite 27) und den Tarpan, ein eurasisches Wildpferd, rückzuzüchten, sagt Stauffer. «Sie sind aber nur halb geglückt.» Zwar ähnelten die entstandenen Tiere den einstigen Arten. «Aber die Grössenverhältnisse stimmen zum Beispiel beim Heckrind, dem rückgezüchteten Auerochsen, überhaupt nicht.»

Wie sehr Professor Churchs Geschöpfe dereinst nach Mammuts aussehen werden, sollte es sie jemals geben, ist ungewiss. Ein Plätzchen auf dieser Erde ist aber bereits reserviert für sie: Ganz im Nordosten Sibiriens haben Ökologen einen Park mit der Fläche Appenzell Innerrhodens geschaffen, in dem die Tundra wieder werden soll, wie sie in der Eiszeit war: eine Grassteppe, in der grosse Pflanzenfresser weiden. Rentiere, Elche, Yaks, Wisente und Moschusochsen leben bereits in dem «Pleistozän-Park». Das Mammut wäre das Sahnehäubchen obendrauf.



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