Die Vogelwarte Sempach untersuche die Gründe für die Anpassungsfähigkeit, hiess es am Dienstag in einer Mitteilung. Rund 2800 bis 3500 Paare brüten demnach in der Schweiz, dies entspreche rund zehn Prozent des Weltbestandes. Deshalb habe die Schweiz eine «hohe internationale Verantwortung» zum Schutz des Vogels. Der Vogel sei trotz des Bestandesaufschwungs zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Dazu gehörten Kollisionen, Stromschläge, Vergiftungen und illegale Abschüsse.

Warum sich der «elegante Segelflieger» in der Schweiz derart wohl fühlt, untersucht die Vogelwarte seit 2015 in einem Forschungsprojekt. Dies habe ergeben, dass der Rotmilan bei seiner Nahrungswahl nicht wählerisch sei. So verspeise der Vogel nebst Mäusen und Würmern auch Aas und Abfall. Grossen Gruppen von Rotmilanen versammelten sich auch, um gemeinsam verletzte oder tote Tiere zu fressen. Deshalb erinnere der Vogel in seiner ökologischen Funktion «eher an einen Geier denn einen agilen Jäger».

Schlafplätze mit bis zu 100 Rotmilanen

Anpassungsfähig sei er auch in seinem Zugverhalten. Früher seien im Herbst alle Schweizer Rotmilane auf die Iberische Halbinsel gezogen, um dort zu überwintern. Doch je älter die Vögel würden, desto eher blieben sie in der Schweiz. Mittlerweile überwintere rund die Hälfte der Schweizer Rotmilane hierzulande. Ein beachtlicher Teil dieser Vögel versammle sich abends jeweils an gemeinsamen Schlafplätzen, die über 100 Individuen umfassen können, schrieb die Vogelwarte weiter.

Der Rotmilan war in den 1950er- und 1960er-Jahren schon fast ausgerottet. Nur noch im Jura gab es 50 bis 60 Exemplare. Der Schutz der Greifvögel und viel Aufklärungsarbeit in den 1970ern brachten die Wende. Die Bestände begannen sich zu erholen. Während es bei uns danach zu einem Boom kam, verzeichneten einige unserer Nachbarländer nur einen zögerlichen Anstieg, wenn nicht gar einen Bestandseinbruch. «Wenn man zum Beispiel über die Grenze nach Frankreich geht, fällt einem sogleich auf, wie viel weniger Rotmilane es dort gibt», sagte der Biologe Patrick Scherler in einem Interview in einer früheren Ausgabe der «Tierwelt». Er arbeitete als Doktorand im Forschungsprojekt zum Rotmilan. 

 

<drupal-entity data-caption="Die rasante Ausbreitung des Rotmilans von 1994 bis 2015Grafik: Mario Nowak, higgs.ch / Vogelwarte Sempach" data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="" data-entity-type="media" data-entity-uuid="61ae2eb2-e0dc-4085-82c5-302286b76949" data-langcode="de"></drupal-entity>